■ Mit Privatisierungsgesetzen auf du und du
: Bukarester Spirale

Bukarest (taz) – Angeblich soll es nun endlich soweit sein. Vier Jahre nach Verabschiedung des Privatisierungsgesetzes und zahlreichen Anläufen, es in die Tat umzusetzen, kündigte der rumänische Ministerpräsident Nicolae Vacaroiu Mitte letzter Woche an, die Regierung wolle jetzt mit der Massenprivatisierung beginnen. Ein besonderer Gesichtspunkt sei dabei gewesen, so Vacaroiu, daß an ihr alle Staatsbürger teilnehmen können. Doch tatsächlich bestraft das als „sozial- ethisch“ apostrophierte Programm Initiative und Geschäftsdenken und läßt, wie schon bisher, reichlich Fragen offen.

Laut Privatisierungsgesetz sollen dreißig Prozent des gesamten Staatsvermögens an alle Rumänen über achtzehn Jahre verteilt werden. Die bekamen dafür vor zwei Jahren ein sogenanntes Eigentumszertifikat ausgehändigt, welches in Aktien umgetauscht werden kann. Weil jedoch fünf Privateigentumsfonds, die jene dreißig Prozent Staatseigentum „verwalteten“ und die Massenprivatisierung „vorbereiteten“, sprich: der Aktientausch immer wieder verzögert wurde, verkauften viele Rumänen ihre Zertifikate lieber zum jeweiligen freien Kurs an den Straßenbörsen im Land. Während sie nicht mehr an den Beginn der Privatisierung glauben wollten, häuften andere die bunten Scheine an – in der Hoffnung, irgendwann mehr als nur lumpige Kleinstaktionäre zu werden.

Letzteren hat die Regierung nun einen Strich durch die Rechnung gemacht – obwohl das Privatisierungsgesetz ausdrücklich einen freien Handel mit den Zertifikaten gestattet. Nicht nur verteilt sie jetzt demnächst Privatisierungscoupons, ohne die kein Staatsbürger bei einem Unternehmen Aktien eintauschen darf. Begründung: Ansonsten seien ja all die Menschen, die ihre Zertifikate verkauft hätten, von der Privatisierung ausgeschlossen. Auch der Tausch einer unbeschränkten Zahl von Zertifikaten ist praktisch unmöglich – infolge der „Spiralmethode“. Laut ihr wird desto mehr bevorzugt, wer um so weniger Zertifikate eintauschen will. Mit anderen Worten: Alle, die in den letzten Jahren Zertifikate anhäuften, haben nun kaum Chancen, größere Mengen von Aktien zu tauschen.

Eine noch unveröffentlichte Liste mit 3.000 Unternehmen liegt angeblich vor, wie Regierungschef Vacaroiu behauptet. Entschieden sei jedoch nicht, wieviel Prozent des Grundkapitals eines einzelnen Unternehmens freigegeben werden, ob vielleicht nur 20 oder doch lieber 80 Prozent. Welche Maßstäbe dabei angelegt werden sollen, konnte Vacaroiu zwar nicht mitteilen, am Ende aber sollen insgesamt 30 Prozent des Staatsvermögens erreicht sein. Möglicherweise könnte auch die Spiralklausel ab Januar nächsten Jahres wegfallen. Und zwar dann, so die Regierung, wenn von den 3.000 Unternehmen noch etwas übrig bleibe, und wenn, so Kritiker des Programmes, die Aktien der besten Unternehmen verteilt sein werden.

Parlamentspräsident Adrian Nastase, letzte Woche von Journalisten befragt, konnte übrigens nicht erklären, worin die Spiralmethode besteht – wie auch die meisten Parlamentsabgeordneten nicht. Und laut einer Umfrage wissen nur zehn Prozent der Rumänen, was eine Aktie überhaupt ist. Keno Verseck