Jelzin fühlt sich ernst genommen

Rußland wird politisches Mitglied im Club der reichsten Industriestaaten  ■ Aus Neapel Donata Riedel

Zum Schluß hat US-Präsident Bill Clinton dem Gipfel-Gastgeber Silvio Berlusconi doch noch die Show gestohlen. In den beiden vergangenen Jahren, in München und in Tokio, war es stets der Regierungschef des Gastgeberlandes, der mit Boris Jelzin gemeinsam vor die Presse trat. In Neapel aber waren es die beiden Präsidenten der ehemaligen Supermächte, die gemeinsam den Weltwirtschaftsgipfel kommentierten. Sichtlich zufrieden sprach Boris Jelzin von dem Beginn einer neuen Ära der Zusammenarbeit zwischen West und Ost. Denn erstmals war der russische Präsident als vollwertiges Mitglied bei den politischen Beratungen der G-7-Staatschefs dabei.

„Die Diskriminierung Rußlands hat ein Ende gefunden“, sagte Jelzin anschließend, „jetzt haben wir zu wirklich nachbarschaftlichen Verhältnissen gefunden.“ Vor zwei Jahren in München war er von den G-7-Chefs aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada noch wie ein Bettler behandelt worden. Lang und breit hatten die Reichen die Bedingungen erörtert, die Rußland erfüllen müsse, um Hilfsgelder des IWF zu bekommen. Das Geld der G 7 ist im Endeffekt sehr viel spärlicher geflossen als versprochen. Umso erstaunter haben die traditionellen Gipfelländer in diesem Jahr zur Kenntnis genommen, daß die Reformen in Rußland inzwischen erste Erfolge zeigen, die Inflationsrate auf unter zehn Prozent gesunken ist und auch das Haushaltsdefizit nicht aus dem Ruder läuft. Sogar der Regierungswechsel nach den Wahlen im Dezember hat die Reform-Dynamik in Rußland nicht gebremst.

So wurde Jelzin in Neapel als erfolgreicher Regierungschef unter Erfolgreichen empfangen. Denn auch seine Kollegen rühmten die gute Atmosphäre der Zusammenarbeit und lobten sich gegenseitig dafür, daß in ihren Ländern, den reichsten Industriestaaten der Welt, die Rezession vorbei sei. Sehr viel ausführlicher beschäftigten sich die G 7 nicht mit Wirtschaftsfragen. Noch stärker als schon in den Vorjahren stand die Politik im Vordergrund des Treffens. Sämtliche Kriegs- und Konfliktpunkte der Welt hakten die G 8 gestern auf dem letzten Tag des Gipfels ab. Der Krieg in Bosnien stand dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Gemeinsam beschworen die Regierungschefs die Kriegsparteien, den Friedensplan vom 6. Juli bis zum Ende des Ultimatums am 19. Juli anzunehmen. Der russische Außenminister Kosyrew habe sich bereiterklärt, so der deutsche Außenminister Klaus Kinkel, auf die serbische Seite Druck auszuüben, dem Plan ebenfalls zuzustimmen. „Wir haben damit ein klares Zeichen auch an die serbische Seite ausgesandt“, sagte Kinkel. Was allerdings geschehen soll, wenn die Serben das Ultimatum einfach verstreichen lassen, sagte niemand von den Regierungschefs und Außenministern. Nur Boris Jelzin schlug vor, daß die acht Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel zusammenkommen sollten, falls die Kriegsparteien den Friedensplan ablehnten. Und Kanzler Kohl wiederholte, daß die Deutschen keine Mark Hilfe für den Aufbau an diejenigen zahlen würden, welche die vorgesehenen Grenzen mit Gewalt zu ändern versuchten.

Breite Unterstützung für eine unbefristete Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages versprachen die G 8 in ihrem politischen Abschlußkommuniqué. Der Ende 1995 auslaufende Vertrag solle unbefristet verlängert werden, auch Länder wie Nordkorea sollen von den G 8 überredet werden, dem Abkommen beizutreten.

Als Weltpolizei für Konfliktherde sehen die Gipfel-Regierungen weiterhin die UNO. Über sie sollten friedenserhaltende und friedensschaffende Maßnahmen laufen. Für solche Zwecke fordern sie, die UNO mit einem Mandat auszustatten, um sie handlungsfähiger zu machen. Mit Rußland gemeinsam wollen die G-7-Regierungen künftig auch gegen transnational organisierte Verbrechergruppen vorgehen, die Geldwäsche unterbinden und den Handel mit Nuklearmaterial stoppen.

Wenn man Kohl glauben schenken kann, wäre die Erklärung von Neapel die letzte weltumspannende Absichtserklärung. Künftig, so Kohl, wolle man sich noch stärker auf die wichtigsten Punkte konzentrieren und viel weniger Papier produzieren.