„Volksfront ist nur etwas für Feinschmecker“

■ Interview mit Wulf Schönbohm, einem der Vordenker der Volkspartei CDU, heute Leiter der Grundsatzabteilung in der Staatskanzlei des Landes Baden-Württemberg

taz: Herr Schönbohm, seit Magdeburg schlägt die Union in der politischen Auseinandersetzung schrille Töne an. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Bergner wirft der SPD vor, sie handle „mit der Besessenheit eines Triebtäters“. Schäuble stellt die Glaubwürdigkeit von Scharping in Frage. Wie häßlich wird der Wahlkampf, wenn die Union sich heute schon auf dieses Niveau begibt?

Wulf Schönbohm: Die Vorwürfe gegen Scharping sind voll berechtigt. Wer zuerst einen Kurs der Mitte fährt und dann einen solchen Schwenk vollzieht, der kann keine Glaubwürdigkeit mehr in Anspruch nehmen.

Die Vorwürfe der CDU knüpfen an Ressentiments an, die die Christdemokraten immer bedient haben: die Sozialdemokraten seien verkappte Kommunisten. Glaubt das heute noch jemand?

Ja. Bisher gehörte es zum Grundkonsens der Demokraten, daß man mit einer kommunistischen Nachfolgepartei wie der PDS nichts zu tun haben will und alles unternimmt, um sie nicht aufzuwerten. Genauso wie im linken Lager das Thema „Republikaner“ und Rechtsradikalismus mobilisiert und Ressentiments bedient, ist das natürlich in gleicher Weise mit einer linksradikalen, postkommunistischen Partei wie der PDS der Fall. Da kommen alte Ängste hoch. Ich wundere mich wirklich über die SPD, daß sie so etwas riskiert. Die Wähler der Mitte werden kritisch darauf reagieren, unsere Wähler werden politisch und emotional gegen die SPD mobilisiert. Die eigenen Wähler zu verunsichern, die der anderen aber geschlossen gegen sich aufzubringen, ist das Dümmste, was man vor einer Wahl machen kann.

Die breite Masse der Wählerinnen und Wähler haben doch ganz andere Sorgen als den Streit um Grundsatzpositionen.

Das glaube ich nicht. Ohne daß sie die Details kennen, werden doch viele sagen: Das ist unanständig. Mit einer Partei wie der PDS darf eine große demokratische Partei nicht zusammenarbeiten. Das beschäftigt die Leute doch viel mehr als das Problem der Haushaltskonsolidierung.

Meinungsforscher behaupten das Gegenteil. Das sei kein Thema, sofern die CDU es nicht künstlich pusche.

Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wir wissen aus Umfragen, daß eine große Mehrheit im Westen – im Osten ist sie geringer – diese Kooperation eindeutig ablehnt. Die CDU kann nicht krampfhaft ein Thema hochziehen, das niemanden interessiert. Aber was die Leute interessiert, kann sie zuspitzen und wird sie zu einem zentralen Angriffspunkt gegen die SPD machen.

Wie würde Ihr Wahlslogan lauten, wenn Sie noch, wie bis 1989, Stratege in der CDU-Zentrale in Bonn wären?

Er müßte darauf abzielen, die SPD als unsicheren Kantonisten, als unzuverlässig in der Abgrenzung gegen Linksradikalismus hinzustellen. Das ist eine Sache, die bei vielen als Befürchtung vorhanden ist; das wird jetzt reaktiviert und aktualisiert.

Bisher wurde mit dem Kampfbegriff „Volksfront“ geholzt.

Der Begriff Volksfront ist etwas für Feinschmecker, die Ahnung von Geschichte und Politik haben. Die meisten Leute werden überhaupt gar nicht verstehen, was damit gemeint ist. Das kann man vergessen.

Steht uns also ein Schmutzwahlkampf bevor?

Das, wovon ich spreche, hat mit Schmutzwahlkampf nichts zu tun.

Eben haben Sie aber gesagt, daß Angstgefühle und Ressentiments geschürt werden.

Ressentiments sind nun einmal eine Realität in einer Gesellschaft. Sie können doch nicht so tun, als ob nicht jede Partei Ressentiments bediente. Das gibt es rechts und links, und das zu bedienen, ist auch legitim, wenn man im Ton nicht übertreibt. Ich halte nichts von Schlammschlacht oder Schmutzwahlkampf. Aber man muß hart in der Sache sein.

Besteht nicht die Gefahr, daß damit Aggressionen der Westler gegen die Ostler hochgetrieben werden?

Das ist tatsächlich eine Gefahr. Man muß verhindern, daß die Ressentiments zwischen Ost- und Westdeutschen noch verstärkt werden. Deshalb ist es sehr wichtig, zwischen den Wählern der PDS und der Partei selber zu unterscheiden.

Sie waren im Adenauer-Haus. Kohl hat Sie geschaßt. Fällt Ihnen 'was Nettes zum Kanzler ein?

Der Bundeskanzler macht einen souveränen Eindruck. Das ist sehr viel wert im Wahlkampf.