Das Gespenst der Volksfront geht um

■ Die Union plant einen Bundestagswahlkampf gegen die „Linksfront“ aus SPD, Grünen und PDS

Bonn/Berlin (taz/AFP) – Sie malen eine Horrorvision an die Wand und geraten dabei in freudige Ekstase. Die Wahlkampfstrategen der Union reiben sich die Hände: Der „größte anzunehmende Glücksfall“ vor der Bundestagswahl im Herbst scheint eingetroffen. Es gilt, zur Attacke gegen die „Linksfront“ nach Magdeburger Muster zu blasen, ein Untergangsszenario zu entwerfen, frei nach dem Motto „Wer SPD wählt, wählt die Kommunisten“. Eine rot-grüne Minderheitsregierung, die auf die Duldung durch die PDS, die „Partei des Schießbefehls“, angewiesen ist, spornt die verunsicherte CDU- Wählergemeinschaft an. „Der CDU-Parteigänger hat wieder ein Feindbild“, bedankt sich Kanzlerberater Fritzenkötter bei der SPD. Der CDU-Vordenker Wulf Schönbohm analysiert in der taz die Bedeutung der Magdeburger Konstellation für das Wählerverhalten im Herbst: „Die Wähler der Mitte werden kritisch reagieren, unsere werden politisch und emotional gegen die SPD mobilisiert. Die eigenen Wähler zu verunsichern, die der anderen gegen sich aufzubringen ist das Dümmste, was man vor einer Wahl machen kann.“

Die Meinungsforscher sind geteilter Meinung: „Arroganz, Ignoranz, gepaart mit strategischer Dummheit“ findet Forsa- Chef Güllner in der SPD-Zentrale, einen „Weg auf Messers Schneide, der aber durchaus gerechtfertigt ist, um aus dem Tief herauszukommen“, würdigt der Mannheimer Wahlforscher Roth.

Die SPD selbst stammelt mit zwei Zungen: Der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi geißelt das Magdeburger Modell im Spiegel als „politische Sünde, als Perspektive unerträglich für Deutschland“. Harald Ringstorff, Oppositionsführer in Mecklenburg-Vorpommern, plädiert dafür, die PDS in die „politische Verantwortung“ zu zwingen, um sie „zu entzaubern“. Und SPD-Geschäftsführer Verheugen versucht verzweifelt, die CDU-Attacken durch Hinweise auf die „wahren Probleme“ wie fehlende Arbeitsplätze und Umweltgefahren zu entschärfen. Verheugen versucht, zurückzuholzen: Die CDU werde mit ihrer Schlammschlacht „nur noch tiefer im Sumpf der von ihr übernommenen Marionetten des SED- Regimes, der alten Blockparteien“, landen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Heidemarie Wieczorek-Zeul sprach Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) das Recht ab, „Werturteile über die PDS zu verbreiten“, nachdem er dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng, „der die Todesschüsse auf dem Platz des Himmlischen Friedens befahl, freundschaftlich bei der Hand genommen hat“.

Joschka Fischer von den Grünen erinnerte ebenfalls daran, daß Kohl keine Hemmungen gehabt habe, die „Abteilung Christen bei der SED“ in die Union aufzunehmen. Seiner eigenen Partei riet Fischer aber zugleich zur Zurückhaltung gegenüber der PDS. „In der PDS ist noch nicht definiert, daß die Reformer wirklich gesiegt haben.“ Die Bundesvorstandsvorsitzende der Bündnisgrünen, Marianne Birthler, schloß jede Zusammenarbeit mit der PDS aus.

Doch während die SPD zutiefst verunsichert keine gemeinsame Haltung finden kann, stählt sich die Union in den Angriffen gegen eine „Linksfront“. CDU-Geschäftsführer Hintze kündigt an, seine Partei werde „jeden Tag die Frage stellen, warum die SPD diesen Tabu-Bruch begangen hat“.

Sachsens Innenminister Eggert, zugleich Parteivize, kündigte den Sozis gar den demokratischen Konsens auf: Wer die Gemeinschaft der Demokraten verlasse, disqualifiziere sich als Koalitionspartner. Wenn die SPD wirklich gemeinsames Spiel mit der PDS mache, sehe er „für bestehende und künftige große Koalitionen keine Basis mehr“. Dafür lockt Eggert den Juniorpartner der SPD: Die Union müsse mit dem „Tabu schwarz-grün“ brechen, wenn es in Sachaussagen Übereinstimmung gebe. Tagesthema Seite 3

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