UKE-Gutachten mit teuren Folgen?

■ Rechtsanwalt Funke fordert Entschädigung aller 300 Hübener-Patienten

Ein Papier, das „Rechtsgeschichte“ schreiben könnte. So beurteilen einige Mitarbeiter der Wissenschaftsbehörde das Gutachten des Berliner Professors Dieter Giesen zum UKE-Strahlenskandal (taz berichtete). Behalten diese Experten recht, dürfte der Klinik-Skandal die Stadt wesentlich teurer kommen, als bisher befürchtet.

Patientenanwalt Wilhelm Funke forderte Senator Leo Hajen gestern jedenfalls auf, die Konsequenzen aus dem Gutachten zu ziehen und zu veranlassen, daß nun auch die übrigen, rund 300 ehemaligen Hübener-PatientInnen entschädigt werden.

Bislang hat die Stadt erst an 37 Geschädigte Abschlagszahlungen von insgesamt 2,6 Millionen Mark gezahlt. Und zwar nur an solche, die vor und nach ihrer Operation im UKE bestrahlt worden waren.

Doch das von der Wissenschaftsbehörde bestellte Giesen-Gutachten macht nun ein gänzlich neues Faß auf: Danach könnte die Behandlung aller 300 PatientInnen rechtswidrig sein, weil in den Krankenakten keine ausreichenden Aufzeichnungen über die Aufklärung der Patienten hinsichtlich der Risiken und Alternativen der Hübenerschen Strahlentherapie enthalten sind. Damit habe sich der Arzt über das Selbstbestimmungsrecht der PatientInnen hinweggesetzt, befindet Giesen.

Eine Position, die auch Funke bisher vertreten hat, die bislang aber von der Behörde nicht akzeptiert wurde. Doch mit dem neuen Gutachten im Rücken trumpft der Anwalt jetzt auf: „Wenn die Behörde ihre Rechtsauffassung im Giesen-Gutachten bestätigt sieht“, schießt Funke scharf, „dann möge sie beantworten, warum sie nicht in allen weiteren Fällen, in denen wir genau mit diesen Argumenten die Rechtswidrigkeit der Bestrahlung nachgewiesen haben, bislang keine Abschlagszahlungen geleistet hat.“

Töne, die in Hajens Behörde nicht gerne gehört werden. Zunächst müsse man das Gutachten auf seine Tragweite hin untersuchen, wiegelte man gestern ab. Aber die Stellungnahme von Hajen-Sprecher Tom Janssen (siehe oben: Rathaus-Pretiosen) darf wohl so gedeutet werden, daß die Entschädigungsregelung nicht ausgeweitet werden soll. Funke setzte Hajen bis zum 15. September eine Frist: Sollte die Behörde bis dahin nicht dargelegt haben, daß die Patienten-Aufklärung korrekt erfolgt sei, will er erhöhte Schmerzensgelder geltend machen.

Sannah Koch