Die machen ja nur Kunst

■ Ursula Menck verläßt das 17-jährige Modellprojekt MOKS-Theater/ Nachfolge-Entscheidung noch in dieser Woche

Ihr macht ja nur Kunst, hatte Ursula Menck stets von den freien Kinder- und Jugendtheatern zu hören bekommen. „Klar nehmen wir hier in Bremens Theaterlandschaft die Sonderstellung ein. Aber schließlich bringen unterschiedliche Ansätze auch ein vielfältiges Angebot mit sich“, sagt die Leiterin des MOKS, der Kinder- und Jugendabteilung beim Bremer Theater. 17 Jahre hat das MOKS, das Projekt Modelltheater Künstler und Schüler mittlerweile überlebt. 17 Jahre vom Senat finanziertes Theater für und mit Kindern und Jugendlichen, eine Mischung aus Vorspieltheater und Theaterwerkstätten mit SchülerInnen. Wenn Ursula Menck nun mit Ende dieser Woche das MOKS-Theater verläßt, dann entläßt sie auch Teile seines Konzepts in eine einstweilen ungewisse Zukunft.

Da ist nun natürlich Intendant Klaus Pierwoß gefragt, und mit ihm der respektive die NachfolgerIn für die MOKS-Leitung, die noch in dieser Woche bestimmt werden soll. Sechzig BewerberInnen standen zur Auswahl, die dem Gedanken des Mitspieltheaters schon etwas abgewinnen sollten. Denn auch Klaus Pierwoß habe sich für die Grundidee des MOKS stark gemacht, bestätigte Ulrich Fuchs vom Bremer Theater. Der Dramaturg wird übergangsweise dem MOKS kommissarisch vorstehen. Fragt man ihn nach seiner Einschätzung der hausinternen Kinder- und Jugendabteilung, dann wünschte er sich deren Stücke „manchmal etwas weniger literarisch, mit etwas mehr Humor“.

Schleichend übernehmen wird Ulrich Fuchs jedoch einen Spielplan, den Ursula Menck bereits erstellt hat. Und der steht ganz in der MOKS-Tradition und dem Anspruch seiner bisherigen Leiterin, intensives und pädagogisches Kinder- und Jugendtheater zu machen. Über Jahre hatte Ursula Menck sich damit alleingelassen gefühlt, als die einsame Mitläuferin vom Goetheplatz. Immer wieder mußte sie den Finger heben, wenn es um gemeinsame Pressearbeit oder Werbung ging, mußte selbst Kostüme bügeln – und Klaus Pierwoß' künftiges MOKS-Konzept ist ihr völlig unbekannt, weil er sich ihr gegenüber darüber nie geäußert hat.

„Ein richtiger Austausch untereinander hat nicht stattgefunden“, beklagt Ursula Menck, deren Traum noch immer „Eigenständigkeit plus gegenseitige Durchdringung“ heißt. „Herr Pierwoß hat von Anfang an geblockt, Heyme hat immer nur jaja gesagt.“ Dabei sei es damals ein absolutes Bremer Unikum gewesen, als 1986 das bundesweite Projekt Modelltheater Künstler und Schüler nach seiner Reise durch die Schulen dem Bremer Theater angegliedert wurde. „Bremen war sozusagen das einzige Bundesland mit professionellem Theater an Schulen“ (Ursula Menck). Der pädagogische Ansatz ist in ihren Augen keine Modeerscheinung der 70er und folglich inzwischen längst überholt, sondern sei als ein Ernstnehmen der Kinder einzuordnen.

Die Bremer Schulen machen mit – „man ist hier relativ aufgeschlossen“ – und die Bildungsbehörde beteiligt sich nach wie vor am 400.000 Mark-Jahresetat. Daß die Theaterwerkstätten und die Zusammenarbeit mit den Kindern dann wiederum dem MOKS-Ensemble zugute kommen, das schlug sich für Ursula Menck schon in so manchem Produktionserfolg nieder. „Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind den Gesten, Haltungen und Befindlichkeiten der Kinder dann eben viel näher.“ Und daß das dann auch Erwachsene überzeugen kann, das war immer wieder zu erleben. Bei dem Scheidungsstück Medeas Kinder habe man Männer heulend rausgehen sehen.

Medeas Kinder wurde parallel zur Medea im Schauspielhaus gezeigt. Das dortige alljährliche Weihnachtsmärchen aber wird ohne Beteiligung des MOKS in Szene gesetzt. Ursula Menck beobachtet es mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Da dürfen sich dann leider oft die Anfänger ausprobieren, obwohl es eine echte Chance sein könnte, mal so richtig opulentes Theater für Kinder zu machen.“ Viel besser wäre es aber, wie zu Zeiten des Intendanten Peter Stoltzenberg, wenn über das ganze Jahr und über die Theatersparten verteilt etwas geschehe. So wie Kresnik damals Peter und der Wolf gemacht habe. Und Kinderopern gebe es schließlich auch genügend.

Hätte sie selbst sich in den letzten Jahren nicht derart aufreiben müssen, hätte sich Ursula Menck gerne auch kulturpolitisch für die freien Bremer Kinder- und Jugendtheatergruppen engagiert. Denn diese liege mangels Förderung nun wirklich am Boden. „Vielleicht könnte der Wirtschaftssenator ja da mal einsteigen.“ Sie selbst will künftig Teile des ursprünglichen MOKS-Modells selbst in die Schulen tragen und dort theaterpädagogisch arbeiten. Silvia Plahl