Sanssouci: Vorschlag
■ Setzen Maßstäbe: Helmet in Huxley's Neuer Welt
Vor drei Jahren schickte das Label Amphetamine Reptile seine gesammelten Prachtstücke auf „Ugly American Overkill“-Tour. Mit dabei war auch eine Band, die sich unter all den gesunden Manikern und Wahnsinnigen, den auf-, ab- und wegtreibenden Teens monolithengleich heraushob: Helmet setzten damals dem Prinzip „Lauter, schneller, losgelassener“ eine engmaschige Rhythmusstruktur entgegen. Disziplin hieß der Eckpfeiler dieses Soundzaubers, das letzte eigentlich, was eine AmRep-Band auszeichnen würde. Doch für Helmet sollte diese Tugend das Nonplusultra des musikalischen Schaffens werden.
Page Hamilton, Sänger, Songschreiber und Denker der Band – im übrigen Absolvent der Musikhochschule und ehemaliges Mitglied von Glenn Brancas brachial-experimenteller Free- Style-Guitar-Band und der Villagecombo Band of Susans –, diktierte in die Mikros, daß Helmets Musik gezielt auf einen „heavy Punkt“ wirke, „mit Parts, die es dem Publikum einprügeln, einbleuen, und dann doch wieder befreiende Momente haben. Wir unterwerfen uns der Disziplinierung durch solche Formen.“ So etwas schätzen natürlich auch die großen Plattenfirmen, und eine davon baute Helmet gleich mit der zweiten Platte „Meantime“ zu den großen Superstars nach Nirvana auf. Helmet setzen in der Tat Maßstäbe: Auf sie kann sich der stumpfe Pantera-Metal- Freak ebenso einigen wie der Henry-Rollins-Disciple-Core- Freund, der supergesuckte Dwarves-Punk genauso wie die verständnislosen Tool-Pitcher. Das sorgt für enormen Einfluß, der sich bis zu den comicähnlichen Beschreibungsformen der wie eh und je um Worte ringenden Musikjournalisten ausdehnt. So stehen Helmet gleichbedeutend mit „breakbeats“ im Rockbereich, müht man sich mit „vor und zurück“, mit „ruck und zuck“ oder mit „de-det, de-det, de-det“. Sprechblasen, die es aber ganz gut treffen, denn in der Tat schwebt bei den New Yorkern die Monotonie engelsgleich über fast jedem Song, wird Energie höchstens nach innen frei, und so ein physikalischer Moment wie Bewegung tendiert stark gegen null – auch wenn der jüngste Entwurf von Helmet, „Betty“, gar ein paar verzierende, leider bloß „brutal- ästhetische“ Popmomente haben soll, die ja bisher en gros ausgespart wurden. Page Hamilton interessiert das herzlich wenig und ergänzt die Punkte und die Hermetik in seinem Sound noch durch den „zusätzlich zu gewinnenden Raum“, den seine Band qua „Spärlichkeit“ gewinnen wolle. Gerrit Bartels
Heute, 21 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108–114, Neukölln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen