■ König Fußball bei Hausbesetzers
: Mein Leben ist sinnlos

„Auf eimal kommt mir mein Leben so leer und sinnlos vor.“ Berti von Herti, eingefleischter Hausbesetzer, traut sich als erster, seiner Enttäuschung über das Versagen der Schergen seines Namensvetters Luft zu machen. Verkrampft hat man dann auch beim Siegestreffer von Letchkov „Toooor“ gebrüllt, insgeheim waren wir doch „für die Bundesrepublik“. Natürlich nicht aus nationalistischen Motiven. König Fußball bestimmt auch den Alltag im besetzten Haus in der Tucholskystraße. Als Bertis Kicker den Rasen betreten, sind alle Vorkehrungen getroffen. Das Plenum und alle Bandproben werden abgesagt, Küchendienst und das Bewässern der Dachbegrünung verschoben. Im Hof werden aus alten Paletten Tribünen errichtet. Das Antennenkabel hängt vom Dach, und die größte Glotze wird nach unten geschleppt. So sauber war der Hof schon lange nicht mehr. Wer zu spät kommt, muß sich nach hinten zum Kompost setzen. Während des Spiels kommen sogar die radikalsten FußballhasserInnen vorbei, lästern über die Dumpfheit der Anwesenden und fragen dann: „Wie steht's?“ Ständig disqualifizieren sich die Fußballbanausen mit unsachgemäßen Kommentaren – die Abseitsregel wird zum hunderttausendsten Mal erklärt.

Kurz nach dem Abpfiff, nachdem wir alle brav mit verzerrtem Gesicht applaudieren, beschließt ein informelles Plenum, eine Glotze aus dem Fenster zu werfen. Am besten noch so, daß der unsägliche Kalli Feldkamp seine Tiraden gegen Berti losläßt, durch die Blume sagt: „Mit dem Kaiser wär' das nicht passiert.“ Keiner will sein TV opfern, und es liegen ja noch 15 kaputte auf dem Dachboden. Wie so viele, scheitert auch diese Aktion. Ein Schutzmann läuft gerade in diesem Moment die Straße entlang und droht mit einer Hundertschaft von vom Fußball frustrierten Landfriedenshütern. Die würden nicht noch so eine Niederlage hinnehmen. Schnell wird beschlossen, selbst im Monbijoupark zu fußballern. Die Defensive im Gehirn wird kompensiert, indem wir Frisbeespieler vom Rasen vertreiben. Es war ein schlechtes Spiel. Sven Christian