Unglaubwürdige Zeugen

■ Alibi im Prozeß um die Magdeburger Himmelfahrtskrawalle verschafft

Magdeburg (taz) – Die Staatsanwaltschaft will künftig auf die Befragung der Entlastungszeugen verzichten, die die Verteidigung im ersten Magdeburger Rädelsführerprozeß um die Krawalle am Himmelfahrtstag benannt hat. Das gaben die Vertreter der Anklagebehörde gestern nach der Anhörung mehrerer Zeugen bekannt. Offensichtlich ein Signal an weitere Alibizeugen, die mit den drei Angeklagten zwei Dinge gemeinsam haben: die Zugehörigkeit zur selben Szene und ein recht eingeschränktes Wahrnehmungsvermögen.

Schon die drei Angeklagten selbst hatten ausgesagt, daß sie nur rein zufällig in der Nähe der Marietta-Bar gewesen seien, als es dort am Himmelfahrtstag zu den massiven ausländerfeindlichen Krawallen kam. Sie seien durch den Tumult aufmerksam geworden, hätten in der Bar allerdings gar nichts gesehen. Das ist in der Tendenz auch die Grundaussage der gestern aufgetretenen Entlastungszeugen. Alle haben sie eigentlich nichts gesehen. Nur den jeweiligen Angeklagten, den sie gerade entlasten sollen, haben sie die ganze Zeit nicht aus den Augen verloren und könnten deshalb bestätigen, das der sich nicht an den Ausschreitungen beteiligt habe. Durch alle Aussagen zieht sich überdies eine geheimnisvolle weitere Gruppe von Jugendlichen, die ein Zeuge aus der gleichen Straßenbahn aussteigen sah wie die eigene Gruppe. Diese andere Gruppe, da sind sich Zeugen und Angeklagte einig, habe Jagd auf die Schwarzafrikaner gemacht. Die Glaubwürdigkeit aller Entlastungszeugen wird zudem durch die Tatsache erschüttert, daß gegen fast alle von ihnen ebenfalls im Zusammenhang mit den Magdeburger Krawallen ermittelt wird.

Gleichzeitig bestätigte gestern ein als Zeuge geladener Verfassungsschützer, daß die sachsen-anhaltinische Polizei im Vorfeld der Krawalle vom Verfassungsschutz vor möglichen Ausschreitungen gewarnt worden sei. Am Vortag der Krawalle habe sich ein Informant aus der rechtsradikalen Szene bei ihm gemeldet und angekündigt, daß sich am 12. Mai „Hooligans oder Skinheads“ im Zentrum Magdeburgs versammeln wollten, „um gegen Linke vorzugehen“. Der Prozeß wird am Mittwoch fortgesetzt. löb