Grüne in Sachsen-Anhalt sind ganz zufrieden

■ Rot-grüne Koalition will Bürger stärker beteiligen / Auch Kinder dürfen mitreden

Magdeburg (taz) – Das politische Profil der künftigen Landesregierung von Sachsen-Anhalt wird immer klarer. Das rot-grüne Minderheitskabinett unter dem designierten Ministerpräsidenten Reinhard Höppner (SPD) meint seinen Reformwillen offenbar ernst und will die Bürger künftig stärker in die politische Entscheidungsfindung einbinden. „Als erstes werden wir dafür das Ausführungsgesetz zur Volksabstimmung ändern“, kündigte der bündnisgrüne Fraktionschef Hans-Jochen Tschiche gestern an. Die bisherige CDU/FDP-Regierung“, so Tschiche weiter, „hat ja eher ein Volksabstimmungs-Verhinderungsgesetz geschaffen.“ Mindestens 250.000 Stimmen sind bislang für eine Volksabstimmung notwendig. Dieses Quorum zur Einleitung einer Volksabstimmung soll nun auf 10.000 Unterschriften gesenkt werden. Außerdem sollen Volksabstimmungen in Sachsen-Anhalt nicht mehr nur auf reine Landesangelegenheiten beschränkt bleiben.

Gerade dieser Plan, so Tschiche, habe weitreichende Bedeutung: „Damit können die Bürger Sachsen-Anhalts künftig zum Beispiel selbst über die Zukunft der Colbitz-Letzlinger Heide entscheiden, die das Bundesverteidigungsministerium gegen den Willen der Bürger zum Kriegsspielplatz machen will.“ Bislang sei das nicht möglich gewesen.

Auch Kinder und Jugendliche sollen unter der künftigen rot-grünen Landesregierung mitreden dürfen. Die Einrichtung von Kinder- und Jugendparlamenten auf kommunaler und Landesebene will die künftige Koalition zwingend vorschreiben, erklärte die designierte Sozialministerin Gerlinde Kuppe (SPD). „Außerdem sollen bei allen kinder- und jugendrelevanten Projekten und Entscheidungen Kinder und Jugendbeiräte beteiligt werden.“ Auch in der Umsetzung europäischer Richtlinien will die rot-grüne Minderheitsregierung neue Maßstäbe setzen. Als erstes deutsches Bundesland wird Sachsen-Anhalt unter der neuen Regierung die europäische Konvention gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben durch entsprechende Landesgesetze umsetzen.

Traute Einigkeit also bei Rot- Grün, und langsam werden auch konkretere Reformprogramme der geplanten Minderheitenregierung erkennbar. Deswegen schmollen die Bündnisgrünen auch nicht sonderlich darüber, daß sie in der künftigen Koalition lediglich das – mit etwas mehr Kompetenzen als bisher ausgestattete – Umweltministerium abbekommen. „Als wir die Forderung nach zwei bis drei Ministerien aufstellten, sind wir schließlich noch von einem zweistelligen Ergebnis bei der Landtagswahl ausgegangen“, gibt Tschiche zu bedenken. 5,09 Prozent machen bescheiden.

„Trotzdem können wir zufrieden sein“, ergänzt die parteilose Spitzenkandidatin der Bündnisgrünen, die designierte Umweltministerin Heidrun Heidecke. Schließlich habe ihre Partei den Zugriff auf die Besetzung der Frauenleitstelle in der Staatskanzlei und der mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatteten Frauenstabsstellen in den Ministerien. „Das ist doch viel mehr als ein Alibiministerium namens ,Frauen und Arbeit‘“. Eberhard Löblich