Militäreinsatz ohne Grenzen

■ Bundesverfassungsgericht erklärt Außlandseinsätze der Bundeswehr für rechtmäßig

Karlsruhe (dpa) – Das Bundesverfassungsgericht hat gestern einen juristischen Streit entschieden – die politische Auseinandersetzung kann beginnen. Erwartungsgemäß bescheinigten die Karlsruher Richter der Bundesregierung die Handlungsfreiheit, deutsche Streitkräfte an UNO- Missionen teilnehmen zu lassen, und ebenso erwartungsgemäß erklärten sie die parlamentarische Zustimmung zur Voraussetzung.

Mit dem Urteil wies das BVG Klagen der SPD gegen den Einsatz deutscher Soldaten in den Awacs-Aufklärungsflugzeugen über Bosnien-Herzegowina sowie den Adria-Einsatz und den Somalia-Einsatz zurück. Die FDP-Fraktion hatte gegen den Awacs-Einsatz geklagt. Deutsche Soldaten können künftig an UN-Kampfeinsätzen in aller Welt teilnehmen. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) entschied, daß der Bundestag dies mit einfacher Mehrheit ausdrücklich genehmigen muß. Daran habe sich die Bundesregierung beim Awacs- und beim Adria-Einsatz sowie bei der Somalia-Mission nicht gehalten, rügte das BVG. Das Gericht überließ es dem Bundestag, sein Mitbestimmungsrecht in Gesetzesform zu gießen. Mit dem Grundsatzurteil ist der jahrelange Rechtsstreit um die Verfassungsmäßigkeit von Auslandseinsätzen entschieden.

Der zweite BVG-Senat stützte sich vor allem auf den Grundgesetzartikel 24 Absatz 2, wonach sich der Bund einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen kann. Dies legitimiere die deutsche Beteiligung an friedenssichernden UN-Operationen. Zudem dürften die Soldaten auch in Nato-Verbände integriert werden, „die im Rahmen einer Aktion der Vereinten Nationen eingesetzt werden“. Das Gericht betonte zugleich die grundsätzliche Pflicht der Regierung, vor jedem bewaffneten Bundeswehreinsatz außerhalb der Nato eine „konstitutive Zustimmung“ des Bundestages einzuholen.

Bundeskanzler Helmut Kohl und US- Präsident Bill Clinton haben den Spruch des Bundesverfassungsgerichts begrüßt. Clinton sagte in Berlin, er verspüre „kein Unbehagen“, wenn sich deutsche Truppen an internationalen Nato-Einsätzen beteiligen. Kohl meinte, er habe immer die Meinung vertreten, daß internationale Einsätze der Bundeswehr mit der Verfassung vereinbar seien.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans- Ulrich Klose unterstrich, daß das Urteil kein Freibrief für Auslandseinsätze der Bundeswehr sei.

In den vorliegenden Fällen, dem Somalia-Einsatz, der Teilnahme an der Überwachung des UN-Embargos in der Adria sowie bei den Awacs-Aufklärungsflügen, hätten die Richter der SPD recht gegeben mit ihrer Feststellung, daß die Bundesregierung die Rechte des Parlaments verletzt habe.

In den westeuropäischen Hauptstädten war das Urteil so erwartet und erhofft worden. Auch bei den osteuropäischen Regierungen waren keinerlei negative Reaktionen auf die nun eröffnete Möglichkeit von Auslandseinsätzen deutscher Soldaten zu verzeichnen. Seiten 5, 8 und 10