■ Platz für Gäste
: Wer ist schuld?

Hat eigentlich am Montagmorgen außer mir noch jemand versucht, bei irgendeinem Bäcker ein Weltmeisterbrot zu kaufen? Gab's nicht! Kaum ist man mal nicht mehr Weltmeister, schon gibt's kein Brot mehr. So schnell geht's mit dem wirtschaftlichen Niedergang nach sportlichen Enttäuschungen. Doch die nationale Enttäuschung begann ja schon vor dem Ausscheiden von Bertis Bubenbande. Und sie hatte einen Namen: ARD- und ZDF- WM-Quiz!

Was gab es nicht für herrlische Gewinnspiele bei den vorherigen WMs. Zum Beispiel vor vier Jahren, da traten Icke Häßler und Pierre Littbarski vor die Kamera und umschrieben Begriffe aus der Fußballwelt.

L.: Also, das Dings da, das hat fast keine Ecken.

H.: Überhaupt keine Ecken eigentlich.

L.: Es ist nämlich rund ...

H.: Gar keine Ecken.

L.: ... und meistens aus Leder...

H.: Vielleicht mal eine Ecke.

H.: ... und man braucht es zum Fuß-huups-spielen ...

Dann gab es drei Lösungsvorschläge: a) ein Mähdrescher b) ein Ball c) eine Tüte Pommes; und wenn man es wußte, konnte man ein Auto oder eine schöne Reise gewinnen. Da macht doch das Mitmachen Spaß!

Aber was soll ich denn mit einem Batteriesortiment vom Wert von tausend Mark oder kiloweise Schokolade? Dafür die wertvolle Information preisgeben, daß Grabowski bei der WM 70 Auswechselspieler war? Niemals! Machen sich diese Fernsehleute überhaupt mal Gedanken darüber, was für einen Mist sie da verlosen? In welche Tragödien sie die Menschen mit ihren idiotischen Preisen stürzen? „Ich war glücklich, aber dann habe ich beim WM-Quiz diesen ganzen Süßscheiß gewonnen, und eine Woche später war ich einfach nicht mehr derselbe. Ich kann halt nichts umkommen lassen. Balloon hieß das Zeug, und so sehe ich jetzt auch aus.“

Nur ein popeliges Auto gibt's zu gewinnen. Kein Wunder, wenn da die „Woge der Begeisterung“ nicht der Nation um die Ohren geschwappt ist. Nicht Vogts, nicht Illgner, nicht Effinger sind schuld. Die deutsche Werbeindustrie hat's verbockt! Enteignen, sage ich! Sofort! Abreißen und neubauen! Und alle ordentlich ausschimpfen! Und dann anmalen! Schön bunt! Aber hallo! Und sie zwingen, sich zwei Jahre lang ohne Unterbrechung ihre Spots anzuschauen. Ohne Bewährung! Jawollja! Naja. Horst Evers

Der Berliner Autor schreibt Texte für sich und Kabaretts