: Keine deutschen Blauhelme für Ruanda
■ Nach dem Karlsruher Urteil zu Bundeswehreinsätzen bleiben viele Fragen offen
Berlin (taz) – Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag ist nicht klar, ob sich die Bundeswehr künftig an Einsätzen der Nato außerhalb des Nato-Vertragsgebietes beteiligen kann, für die kein Auftrag der UNO vorliegt. Zwischen den Bonner Parteien ist umstritten, ob der Bundestag – wie vom Gericht angeregt – eine gesetzliche Basis für künftige Auslandsoperationen deutscher Soldaten schaffen muß und ob dieses noch vor der Bundestagswahl am 16. Oktober geschieht. Die Regierung bemüht sich unterdessen, Erwartungen auf baldige Auslandseinsätze der Bundeswehr zu dämpfen und eine öffentliche Debatte über zusätzliche Milliardenausgaben für die Ausrüstung deutscher „Krisenreaktionskräfte“ auf die Zeit nach der Wahl zu verschieben.
Laut Karlsruher Urteil ist die Nato zwar ebenso wie die UNO ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ gemäß Artikel 24, Absatz 2 des Grundgesetzes. Dieser Artikel sei die verfassungsrechtliche Grundlage für die Beteiligung der Bundeswehr an Aktionen der UNO. Die Frage, ob dies auch für die Teilnahme an Nato-Aktionen gilt, für die kein UNO-Auftrag vorliegt, warfen die acht RichterInnen zwar auf, ließen sie aber unbeantwortet.
Im Gegensatz zu den Oppositionsparteien und zum Koalitionspartner FDP sieht der CDU/CSU- Fraktionsvorsitzende Schäuble „keine Notwendigkeit“ für ein „Entsendegesetz“ des Bundestages. Das Gericht hatte ein solches Gesetz zwar nicht zwingend vorgeschrieben, jedoch mit deutlichen Worten angeregt. Das Urteil legt zum Beispiel nicht im Detail fest, welche Informationen über Einzelheiten eines geplanten Auslandseinsatzes (Charakter, Dauer, Umfang, Bewaffnung, UNO-Mandat) die Regierung vorlegen muß, um die Zustimmung des Bundestages zu erhalten. Die SPD möchte in einem Gesetz unter anderem das „Rückholrecht“ des Bundestages, sollte die Regierung unter Berufung auf „Gefahr im Verzuge“ einmal Soldaten ohne vorherige Parlamentszustimmung in einen Auslandseinsatz schicken. Die Zeit für die Beratung und Verabschiedung eines „Entsendegesetzes“ ist äußerst knapp. In dieser Legislaturperiode gibt es nur noch zwei Sitzungswochen (im September), die zudem den Haushaltsberatungen vorbehalten sind.
Die Minister Rühe, Kinkel und Generalinspekteur Naumann erklärten übereinstimmend, friedenerhaltende oder friedenschaffende Operationen der Bundeswehr im Auftrag der UNO in weit entfernten Staaten und unter schwierigen Bedingungen stünden vorerst nicht zur Debatte. Rühe, der die Bundeswehr vor allem an „Nato- und WEU-Aktionen in Europa und dem näheren Umfeld“ beteiligen will, schloß einen Einsatz in Ruanda oder die Entsendung von Bodentruppen nach Ex- Jugoslawien grundsätzlich aus.
Im Verteidigungsministerium wird allerdings ein Einsatz in anderen osteuropäischen Staaten oder exsowjetischen Republiken, „in denen keine antideutschen Gefühle mehr herrschen wie bei den Serben in Ex-Jugoslawien“, nicht ausgeschlossen. Die Hardthöhe widerspricht der Forderung des Bundeswehrverbandes nach zusätzlichen Milliardenausgaben für Transportflugzeuge und -schiffe zur schnellen Verlegung deutscher „UNO-Soldaten“ sowie für deren Ausrüstung und Bewaffnung. Vieles könne sich die Bundeswehr auch bei den Streitkräften befreundeter Staaten ausleihen. Laut Rühe ist eine Debatte um die Ausrüstung deutscher Soldaten derzeit nicht sinnvoll. Andreas Zumach
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