Knackpunkte verzögern Verhandlungsabschluß

■ Die rot-grünen Koalitionäre in Sachsen-Anhalt geraten unter Zeitdruck / Dissens bei Chlorchemie / Noch immer keine Aussagen zur Wirtschafts- und Innenpolitik

Magdeburg (taz) – Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt sind zwar nicht ins Stocken, wohl aber in Zeitverzug geraten. Verläßliche Aussagen zur künftigen Wirtschafts- und Innenpolitik der geplanten rot-grünen Minderheitsregierung sind noch immer nicht zu haben. Dafür gab es bei der gestrigen achten Runde erstmals tiefgreifendere Konflikte. Insbesondere die Zukunft der Chemieindustrie im Süden des Landes und hier die Chlorchemie sind zwischen SPD und Bündnisgrünen umstritten.

Die Bündnisgrünen favorisieren einen mittelfristigen Ausstieg aus der Chlorchemie. Die sei spätestens im Jahr 2005 ohnehin ein überholtes Modell. Allein deshalb müsse man sich jetzt schon Gedanken um die künftige Ausgestaltung der Chemieindustrie machen. Ein Kompromißvorschlag, der in der Partei für Konfliktstoff sorgen dürfte. Denn an der bündnisgrünen Basis gibt es eine starke Fraktion, die den sofortigen Ausstieg aus der Chlorchemie fordert.

Dennoch war die SPD dem Vernehmen nach nicht zu diesem Kompromiß bereit. Der von den Sozis benannte Wirtschaftsminister ist bislang Geschäftsführer des Landesverbandes Chemie Ost, was bei den Sozialdemokraten nicht allzuviel Verhandlungsspielraum in Sachen Chemieindustrie erwarten läßt. Denn daß Uhlig abspringt, kann sich der designierte SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner nicht leisten. Für die CDU und andere Gegner des rot- grünen Reformprojektes wäre es ein öffentlichkeitswirksames Signal, wenn der von Höppner schon früh als parteiloser Fachmann für das Wirtschaftsressort gepriesene Uhlig vorzeitig die Segel streichen würde.

Auch im Bereich der Innenpolitik mußten die Bündnisgrünen zurückstecken. Der Verfassungsschutz ist den Alternativen schon lange ein Dorn im Auge. Die gesetzliche Pflicht zur Einrichtung eines solchen Landesamtes war ihnen zwar klar, doch als Maximalforderung hatten sie immer eine personelle Reduzierung der Behörde gefordert. Daraus wird nun nichts. Ergebnis der innenpolitischen Koalitionsverhandlungen: Die Behörde wird noch ein bißchen größer. 108 Mitarbeiter hat der Verfassungsschutz bislang, 130 sollen es insgesamt werden. Möglicherweise gibt es im Bereich der Innenpolitik noch weiteres Konfliktpotential. Denn auch dieser Bereich wurde in der mittäglichen Pressekonferenz von Rot-Grün bislang sorgsam ausgespart. Einigkeit herrschte bei umweltpolitischen Forderungen. Klar sei, daß der für die Betriebsgenehmigung des Atomlagers in Morsleben notwendige Nachweis der Betriebs- und Langzeitsicherheit nicht vorliege, sagte die designierte Umweltministerin Heidrun Heidecke. Wenn dieser Nachweis nicht erbracht werden könne, müsse man eben die Betriebsgenehmigung für das Endlager einschränken oder gar widerrufen.

Auch bei der Abfallpolitik wollen die Koalitionspartner andere Saiten aufziehen. Wenn das Duale System Deutschland (DSD) nicht endlich die vertraglich zugesicherten Aktivitäten zur Abfallvermeidung entfalte, müsse man die DSD-Verträge eben noch einmal gründlich überprüfen und nötigenfalls kündigen, sagte Heidecke. Eberhard Löblich