Viel Zeit zum Planschen

■ Zweitligist FC St. Pauli und Trainer Seppo Eichkorn trennten sich gestern in gegenseitigem Einvernehmen

So recht mochte das fröhliche Ambiente nicht zum traurigen Anlaß passen. Auf dem Trainingsplatz mitten im Niendorfer Gehege - nebenan planschten Kinder im Schwimmbecken - mußte Josef Eichkorn Donnerstag nachmittag den schmerzlichsten Schritt seiner Karriere als Fußballtrainer tun. Vor versammelter Mannschaft gaben Eichkorn und das Präsidium bekannt, daß sich Verein und Coach im beiderseitigen Einvernehmen getrennt hätten.

Ein Schritt, der seit längerem erwartet wurde, nachdem immer deutlicher geworden war, daß eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Eichkorn und Manager Jürgen Wähling nicht mehr möglich sein würde. „Wir wollten einen Schlußstrich ziehen“, gab der sichtlich gestreßte Vize-Präsident Christian Hinzpeter als Begründung an. Die endgültige Entscheidung, den bis Juni 1995 laufenden Vertrag aufzulösen - vermutliche Abfindung rund 250.000 Mark - fiel auf einer anderthalbstündigen Sitzung am Vormittag, an der das gesamte Präsidium und Eichkorn teilgenommen hatten. „Demokratisch einstimmig“, wie Hinzpeter betonte „und freundschaftlich“.

Wie es am Millerntor weitergeht, ist noch unklar, aber ersteinmal scheinen die Unstimmigkeiten behoben. „Für den Verein war dies die vernünftigste Lösung“, sagte Präsident Heinz Weisener, der von einem „Rauswurf“ nichts wissen will. Letztendlich sei Eichkorn auch daran gescheitert, daß es ihm an Diplomatie gefehlt habe: „Er war manchmal einfach zu eckig.“

Daran bestehen in der Tat kaum Zweifel, denn Eichkorn, der seit September 1992 Cheftrainer gewesen war, unterschätzte, wie wichtig Eigenwerbung für den Erhalt des Arbeitsplatzes ist. Zu oft hatte sich der 37jährige in der Öffentlichkeit wenig professionell präsentiert. Als dann auch noch der Bundesliga-Aufstieg leichtfertig verspielt wurde, zog sich die Schlinge immer fester zu. Den entscheidenden Stoß, um letztlich vom Sockel zu kippen, verpaßte sich Eichkorn selber. Sein Ultimatum „Wähling oder ich“ war ein letzter, aber vergeblicher Versuch, Stärke zu zeigen. Doch zu diesem Zeitpunkt war schon eine Vorentscheidung gefallen. „Ich hatte in Spanien Zeit zum Nachdenken“, gestand Weisener, der erst am Mittwoch abend aus seinem Urlaub zurückgekehrt war.

Der geschaßte Trainer wirkte nach seiner letzten Amtshandlung sehr gefaßt, fast schon gelöst: „Die Mannschaft steht hinter mir, ich wünsche ihr für die Zukunft alles Gute.“ Über die eigene hat er sich noch keine konkreten Gedanken gemacht: „Ich werde in Ruhe auf Angebote warten.“ Bei St. Pauli dagegen trudeln zur Zeit säckeweise Bewerbungen möglicher Kandidaten ein, Namen wie Reimann oder Bongarts machen die Runde. „Wir hoffen, den neuen Trainer schon am Montag präsentieren zu können“, so Hinzpeter. Bei den Freundschaftsspielen am Wochenende wird Assistent Klaus-Peter Nemet die Mannschaft betreuen. Vielleicht planscht Eichkorn dann ja schon im Schwimmbad am Niendorfer Gehege. Clemens Gerlach