Was geschah wirklich am Altonaer Blutsonntag im Juli 1932?

„Das Gedächtnis ist trügerisch“, konstatiert Leon Schirmann in seinem Buch Altonaer Blutsonntag 17. Juli 1932, Dichtungen und Wahrheit, das soeben im Hamburger Ergebnisse-Verlag erschien. Der französische Naturwissenschaftler, im 2. Weltkrieg im Widerstand aktiv, beschäftigt sich seit seiner Pensionierung 1984 mit der Endzeit der Weimarer Republik.

Spannend wie ein Krimi liest sich nun seine akribische Nachforschung über die Ereignisse, bei denen 1932 zwei SA-Leute und 16 Zivilisten ums Leben kamen. Die Staatsanwaltschaft fälschte etliche Beweisstücke, bis heute hat sich die Geschichtsschreibung mit der Frage amtlicher Entstellungen nicht eingehend genug befaßt. Aber gerade die machten den Altonaer Blutsonntag 1932 zu einem Symptom des Verfalls der Weimarer Republik.

Die nationalsozialistische Justiz vollstreckte im August 1933 vier Todesurteile gegen angebliche Schützen, die von Dächern aus auf den Nazi-Umzug geschossen haben sollten. Aber - fast - alle tödlichen Kugeln waren aus Karabinern der Polizei abgeschossen worden. Die damalige polizeiliche Desinformation, Presseberichte, Gerichtsakten und die in der Nachkriegszeit verfaßten und durch die lange Zeit getrübten Augenzeugenberichte wurden zu einem Puzzle, in dem es selbst für den Autor schwer wurde, zwischen Dichtung und Wahrheit zu unterscheiden. Schirmann stellt seine Ergebnisse mit anschaulich ausgesuchten Quellenzitaten nebeneinander und bestimmt in seinem Schlußwort den Platz des Blutsonntags in der deutschen Geschichte. jkn

Leon Schirmann, „Altonaer Blutsonntag 17. Juli 1932“, Ergebnisse-Verlag, 24 Mark