Kommentar – vgl. S.23
: Künstlich erregt

■ Entrüstung über illegale Kunstverkäufe

Nun sind wir aber entsetzt. Wenn nicht gar sprachlos. Der Kunstverein soll mindestens 19 Werke versilbert haben, die nicht ihm gehörten, sondern der Stadtgemeinde Bremen. Schon geißelt die Kulturbehörde den Vorgang als „unrechtmäßigen Verkauf“ – hörbar knapp vermeidet man den Begriff „Diebstahl“. Und schon pfeifen's die Spatzen vom Rathausdach, auf daß die Empörung schäumen möge. Und zwar nicht nur heftig, sondern vor allem pünktlich: Heute nämlich diskutiert das Kulturressort mit dem Kunstverein über die Streitfrage, ob die Kunsthalle nicht künftig als GmbH geführt werden soll. Und weil der Kunstverein nicht so recht will, muß ihm eben nachgeholfen werden. Die allgemeine Entrüstung über den Kunstverkauf kommt da gerade recht. Daß das Ressort keinen Grund hat, sich derart moralisch zu erheben; daß es damals nämlich selbst zugestimmt hat, die Bilder zu versetzen; daß sich das Ressort jahrzehntelang nicht um eine Bestandsaufnahme seiner Werke gekümmert hat – daran kein Gedanke mehr. Denn heute paßt es prima, die Geschichte möglichst skandalträchtig anzuprangern. Den Schaden aber hat leider nicht nur das Ressort, dessen durchsichtige Spielchen eher peinlich sind. Schädlich ist diese Taktiererei auch dem kulturellen Klima in der Stadt. Daß jetzt noch wirklich diskutiert wird zwischen dem Privatverein und der Behörde, ist kaum zu erwarten – die künstliche Erregung des Ressorts macht eher sprachlos. Thomas Wolff