Küche ohne Koch

■ Neuköllner Kita mit nagelneuer, 150.000 Mark teurer Küche hat keinen Koch

Viele Köche verderben den Brei. Ergo: Wo kein Koch, dort kein Brei. Unter diesem küchenwunderlosen Schicksal leidet die Kindertagesstätte in der Neuköllner Hermannstraße 135. Sie verfügt zwar über eine nagelneue Industrieküche im Wert von etwa 150.000 Mark, doch die Wirtschaftskraft mußte den Löffel abgeben, bevor sie überhaupt den ersten Brei für die einhundert Kinder anrühren konnte. Denn bereits zwei Jahre vor der Eröffnung im Mai dieses Jahres war dem Bezirksamt bekannt, daß infolge eines Senatsbeschlusses zur Einsparung von Kochkräften keine neue Stelle bewilligt werden würde.

„Das ist ein Skandal“, kommentiert die Leiterin der Kita, Martina Zander, den Umstand, daß die Kinder trotz einer brandneuen Küche durch den fahrbaren Mittagstisch des Internationalen Bundes für Sozialarbeit gefüttert werden. „Die Einrichtung war bereits im Bau, als der Beschluß fiel“, erklärt Günter Steinig, Jugendamtsleiter des Bezirksamtes Neukölln, den Leerstand, „und nicht mehr zu bremsen gewesen.“ Er würde es zwar begrüßen, wenn das Essen direkt in der Kita zubereitet werden würde, sieht seine Hände aber gebunden, weil „über unsere Köpfe hinweg entschieden“ wurde. Die Bezirkselternvertretung will sich nicht so einfach abspeisen lassen und hofft auf ein Küchenwunder. Sie will in der nächsten Bezirksverordnetenversammlung einen Antrag einbringen, die Küche als Lehrküche zu verpachten, in der angehende Köche nicht nur für die Kita Hermannstraße, sondern auch noch für andere Kitas kochen könnten. „Eigenversorgung ist das Günstigste, was man machen kann“, ist Elternvertreter Peter Reinwarth überzeugt. Dann könnten die Kinder sehen, wie Essen zubereitet wird, für türkische Kinder könnte statt einem Schweinefleischwürstchen eins aus Rindfleisch in die Pfanne gehauen werden, und bei einem Geburtstag könnte die Küchenfee auch mal einen Kuchen backen – und das alles billiger als jetzt.

Abgesehen von den individuellen Vorteilen des eigenen Kochens ist die Eigenversorgung auch billiger als Fremdkost. Nach Angaben des Bezirksamtes kostet das Kochen vor Ort 1,98 Mark pro Kind am Tag, der fahrbare Mittagstisch hingegen 3,23 Mark. In Neukölln wird die Hälfte der insgesamt 65 Kitas über private Fremdkoch-Unternehmen versorgt. Barbara Bollwahn