Sanssouci
: Vorschlag

■ Kompressor-Nacht im Huxley's Jr. / Vorschlag * Kabarett Schwarzbrotgold in der Brotfabrik

Nick von „Trout“ Foto: Archiv

Auf meinem Anrufbeantworter eine ellenlange Nachricht von jemandem, den ich nicht kenne. Er habe versucht, das Tape in meinen Briefkasten zu werfen, müsse wohl aber am falschen Ende der Straße nach meinem Namensschild gesucht haben. Vielleicht sei ja auch die Hausnummer falsch, die ihm ein Freund gesagt habe... Der Anrufer vergißt seine eigene Telefonnummer zu nennen. Eine Woche später ruft er wieder an. Er sei auch beim zweiten Besuch erfolglos gewesen. Einige Tage finde ich einen verschrumpelten, aufgequollenen Briefumschlag unter der Post. Keine Briefmarke – der Bote Patrick „Surrogat“ Wagner muß ein drittes Mal „sowieso in der Gegend gewesen sein“.

Diese Geschichte wird nur deshalb hier so lang und breit erzählt, weil Berliner Journalisten immer gerne vorgeworfen wird, sie würden sich nicht um Berliner Musiker kümmern. Ein wenig mehr Professionalität bei der Promotion könnte da nicht schaden. Immerhin hat sich Surrogat vorgenommen, Bands United zu übertreffen, das „längst pervertiert“ sei. Er mag es lieber komprimiert und veranstaltet deshalb eine „Kompressor-Nacht“ mit fünf Bands aus Berlin und „Desmond Q. Hirnch“ aus Potsdam.

Immerhin hat Patrick „Surrogat“, der Nachname ist der Name seiner Band, mir einen hübschen Kassettensampler mit den Kompressor-Bands zusammengestellt. Schwerfällig schleppen sich die Gitarren bei „Kerosene“ durch schlecht gelüftete Übungskeller. Jemand singt. Alles geht sehr langsam vor sich, wie von Leuten gemacht, die öfter den Bus verpassen. Dann „Wuhling“ (wer denkt sich eigentlich so komische Bandnamen aus?), eine Frau singt von der rauschenden Nordsee, wahnsinnig hoch geträllert fordert sie irgendwen auf: „Mach die Leinen los.“ Den Rest versteht man nicht. Der zweite Song ist noch besser: „Roberta, Roberta, Roberta.“

„Surrogat“ muß sich die Seele aus dem Leib schreien, er meint, er könne „Frauen riechen“. Textmäßig scheint er ein bißchen viel Blumfeld abbekommen zu haben. Sechs Bands voller junger, zorniger Menschen öffnen die Türen ihres Übungskellers. Laßt sie nicht mit sich allein. Andreas Becker

Kompressor-Nacht um 20 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide.

VorschlagKabarett Schwarzbrotgold in der Brotfabrik

Vier junge Geisteswissenschaftler machen Kabarett. Ein Zwergpudelmord wird aufgeklärt, Neukölln als „Blume der Stadt“ besungen, Sabine Christiansen von Helmut Schmidt und Regine Hildebrandt beleidigt. Nichts, aber auch gar nichts hält das bunte Gemenge der einzelnen Szenen zusammen – und doch strahlen sie eine grandiose Komik aus. Gnadenlos genau gucken die phantastischen Vier von der Laientruppe Schwarzbrotgold Politikern und Journalisten ihre Manierismen und Eitelkeiten ab. Dann basteln sie ein paar Geschichten zusammen und stopfen alles zusammen in ein Programm. Und wunderbarerweise geht das Konzept auf: je voller, je doller.

„Wir werden euch helfen“ lebt wie die vorangegangenen drei Programme weniger vom Wortwitz als von der Karikatur. Vor allem der 27jährige Hannes Heesch ist ein Genie der Nachahmung. „Wenn man so farblos ist wie ich, bleibt nur ein Ausweg: die Imitation“, behauptet der Politologe. Wer ihn als Erich Böhme sieht, wie er den Kopf tief über die Stichwortzettel senkt und enervierend langsam auf den Konsonanten und seinem Brillenbügel herumkaut, kann sich zwanzig Folgen vom „Talk im Turm“ sparen. Und dann sein Schmerz, wenn er als Heribert Fassbender einen Beinahe-Sieg der gegnerischen Schlitzaugen dokumentieren muß! Die Schadenfreude des Berliner Proleten, der dem sanften Ostsee-Ossi die Frau ausgespannt hat!

Einer der schönsten Ruhepunkte auf dieser kabarettistischen tour d'horizon ist der Dialog einer Regisseurin der neuesten Schule (Hicki Kühnen), die den Faust endlich mal völlig tabulos inszenieren will, mit ihrem Bühnentechniker. „Der Mephisto, der hat so was!“ bemerkt sie klug, und brötchenkrümelspuckend erwidert der Techniker: „Hat er auch!“ Sie, entrückt: „Hier liegt wahnsinnig viel Kraft in dem Raum.“ „Er, begeistert: „Dit is jut! Dit is Volksbühne!“ Die meisten Szenen hängen übrigens direkt oder indirekt mit dem Fernsehen zusammen – nichts macht mehr Spaß, als eine schlechte Imitation zu imitieren. „Oh, Darling, das ist phantastisch!“ ruft eine Soap-opera-Mom ekstatisch ihrer Tochter (Claudia Hildebrandt) entgegen. „Das Leben ist so vielseitig... Du mußt tun, was dir dein Herz befiehlt. Ich liebe dich, Linsey!“ Morde im Kiez werden von Inspektor Sri Lanka im bekannten schäbigen Trenchcoat aufgeklärt. Das glucksende Publikum ließ die Truppe erst nach drei Zugaben fort. Eine davon spielt im Kochstudio. Aber es war viel, viel schöner als im Fernsehen. Miriam Hoffmeyer

Am 15., 16. und 24. Juli um 20 Uhr, Brotfabrik, Prenzlauer Berg