„U-Bahn ist so sicher wie das Amen in der Kirche“

■ Ursache des U-Bahn-Unglücks vom Mittwoch offenbar menschliches Versagen

Eigentlich dürfte es U-Bahn- Zusammenstöße gar nicht geben. Denn um Unfälle durch Überfahren von Signalen zu vermeiden, gibt es automatische Magnetsperren – in die Gleisanlagen integrierte Sicherungen. Zugführer dürfen diese Sperre zwar durch Freischalten außer Kraft setzen, aber nur, wenn sie anschließend mit einer Maximalgeschwindigkeit von 20 km/h weiterfahren.

Möglicherweise hat sich der am Zugunglück vom Mittwoch beteiligte Zugführer nicht an diese Anweisung gehalten. Der Zusammenstoß von zwei U-Bahn-Zügen ist nach ersten Ermittlungen der Polizei offenbar auf einen Fehler des Zugführers zurückzuführen. Dieser wurde, nachdem er nach dem Unfall mit einem Schock ins Rudolf-Virchow-Krankenhaus eingeliefert worden war, gestern in der Klinik angehört, teilte die Polizei mit. Bei dem Unglück war ein U-Bahn-Zug mit sechs Waggons im Bahnhof Weinmeisterstraße in Mitte auf einen stehenden Zug geprallt. Zehn Menschen, darunter der 25jährige Fahrer, waren verletzt worden. Mehrere hundert Fahrgäste waren mit einem Schrecken davongekommen. Zahlreiche Passagiere mußten im Tunnel aussteigen und zu Fuß zum Bahnhof geführt werden. Der für mehrere Stunden unterbrochene U-Bahn-Verkehr konnte gestern wieder aufgenommen werden. Der Sachschaden beläuft sich nach Angaben der Pressestelle der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf mehrere hunderttausend Mark.

Vor dem Aufprall des U-Bahn- Zuges der Linie 9 auf einen vor ihm stehenden Zug hat der Fahrer vermutlich ein rotes Stoppsignal freigeschaltet und dann nicht rechtzeitig gebremst. Auch der Pressesprecher der BVG, Ulrich Mohneke, geht davon aus, daß der Unfall höchstwahrscheinlich durch menschliches Versagen verursacht worden ist. Der von der Kriminalpolizei beschlagnahmte Zug der Linie 9 wurde gestern in einer Betriebswerkstatt technisch untersucht. Nach Angaben von Mohneke habe die Technik einwandfrei funktioniert. Aus der Verformung der Züge werde nun die Aufprallgeschwindigkeit rekonstruiert, um herauszufinden, ob sich der Zugführer an die vorgeschriebene Maximalgeschwindigkeit gehalten hat. Die Freischaltung eines Signals und das Überfahren von Sperren lasse sich mittels eines mechanischen Zählwerkes nachträglich beweisen.

Der BVG-Pressesprecher bezeichnete die Berliner U-Bahn gestern als eines der sichersten Verkehrsmittel der Welt. Derartige Unfälle rechtfertigten keinerlei Bedenken hinsichtlich der Sicherheit. Denn die sei „so sicher wie das Amen in der Kirche“.

Der letzte schwere U-Bahn-Unfall hatte sich am 6. März 1990 im U-Bahnhof Spittelmarkt ereignet. Damals war ein in Richtung Pankow fahrender Zug ebenfalls auf einen stehenden Zug geprallt, wobei 13 Fahrgäste leicht verletzt worden waren. Peter Lerch