Kleine „chinesische Lösung“?

■ betr.: Li Peng in Deutschland

Ich glaube, was den chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng besonders irritierte, war die konzertierte Aktion von Chinesen und Tibetern, unterstützt von Deutschen (auch Parlamentariern). Das war die neue Dimension in Bonn, Berlin, Weimar und München! Sie verunsicherte den Herrn mit der lächelnden Maske so sehr, daß er seine Gastgeber gleich mehrfach brüskierte. Dabei verlor er allerdings sein Gesicht und blamierte sein Land vor der ganzen Welt.

Skandalös war das Verhalten der Berliner Polizei, die in der Partnerstadt Pekings lautstarke, aber friedliche (!) Demonstranten gewaltsam angriff, Spruchbänder zerriß und einige Teilnehmer verhaftete. Wo leben wir eigentlich? Sollte da eine kleine „chinesische Lösung“ (Tiananmen-Platz) unter dem Brandenburger Tor angestrebt werden? Nur weil die Wirtschaft und einige willfährige Politiker das gerne sähen?

Ich dachte immer, es gäbe Meinungsfreiheit in diesem unserem Lande. Ludmilla Tüting, Berlin

Niemals seit Bestehen der „Berliner Republik“ scheint mir die Arroganz der Mächtigen so verdichtet spürbar zu werden wie jetzt: Damals, als im untergehenden Honeckerstaat die Menschen auf die Straßen zogen, hing das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens wie ein Damoklesschwert über den Leuten. Die „Chinesische Lösung“ stand damals von SED- Leuten klar ausgesprochen im Raum. Li Peng stand für das personifizierte Ende aller Träume (einschließlich des Traumes von der Wiedervereinigung Deutschlands), die damals in der DDR geträumt wurden. Diesen Mann lud der Berliner Bürgermeister nun ein zu einem Gang durch das Brandenburger Tor, dem symbolischen Schritt über die gefallene Mauer. Das ist eine beispiellose Brüskierung für alle Ostdeutschen, die damals mit der Li-Peng-Drohung im Nacken diesen Gesamtberliner Bürgermeister überhaupt möglich gemacht haben.

Auf der anderen Seite wird nun wieder der erwiesen atomfeindlich eingestellten Mehrheit der Westdeutschen und vor allem denen, die sich dieses Mehrheitsverhältnis so schwer erkämpft haben, gezeigt, daß in existentiellen Fragen nicht das Volk, sondern ein paar verantwortungslose Lobbyisten das Sagen haben. [...] Ralf Arnold, Nürnberg