Belgrad will Ruhe an der Bosnien-Front

Mit einer Mischung aus Jugoslawien-Nostalgie und Hoffnung auf ein Ende der Sanktionen drängt Serbien auf eine Annahme des Bosnien-Teilungsplans durch die bosnischen Serben  ■ Aus Belgrad Karen Thürnau

Daß das Verhältnis zwischen dem bosnischen Serbenführer Karadžić und dem serbischen Präsidenten Milošević schon seit einiger Zeit gestört ist, ist in Belgrad ein offenes Geheimnis. Trotz gegenteiliger Behauptungen und Durchhalteparolen der staatlichen Propaganda bleibt der serbischen Öffentlichkeit nicht verborgen, wie sehr Serbien unter den internationalen Sanktionen leidet, die der UN-Sicherheitsrat im Mai 1992 gegen das Land verhängt hat.

Milošević ist an einer baldigen Friedenslösung und Aufhebung der Sanktionen interessiert, muß sich aber gegen die Kriegslobbyisten um Karadžić durchsetzen. Diese atmosphärischen Störungen werden immer sichtbar, wenn die Krise wieder einen neuen Wendepunkt erreicht hat. Bisher ist es aber noch zu keiner offenen Entladung gekommen; der Kleinkrieg spielt sich – ganz „kommunistisch“ – hinter den Kulissen und zwischen den Zeilen ab.

Serbiens Präsident will endlich Ruhe an der bosnischen Front, und es mißfällt ihm sehr, daß seine Friedensrhetorik auf dem bosnischen Terrain ständig von Karadžić konterkariert wird. Karadžić hat zwar in letzter Zeit scheinbar nachgegeben – er hat den Teilungsplan für Bosnien gemäß der Formel 49:51 im Grundsatz akzeptiert und lediglich darauf verwiesen, daß eine endgültige Entscheidung dem „Parlament“ der selbsternannten Serbischen Republik in Bosnien überlassen sei. Doch schon bevor die Teilungspläne veröffentlicht wurden, hatte die serbisch-bosnische Führung deutlich gemacht, daß sie sich vor allem gegen das Wie der Aufteilung Bosniens wende. „Nach der Karte der Kontaktgruppe werden die muslimischen Enklaven so vergrößert, daß das serbische Territorium praktisch in drei getrennte Teile zerschnitten wird“, sagte Parlamentspräsident Momcilo Kraijsnik. „Das können wir nicht akzeptieren.“

In diesem Zusammenhang wächst der Druck aus Belgrad auf die bosnischen Serben täglich. Der serbische Präsident selbst hält sich dabei vornehm im Hintergrund, schickt aber seine Ehefrau Mirjana Marković ins Feld. Sie ist Soziologieprofessorin und Funktionärin des „Bundes der Kommunisten – Bewegung für Jugoslawien“ (SK-PJ) – eine linke Abspaltung der Sozialistischen Partei. Sie gilt dazu als Fürsprecherin einer Reintegration Jugoslawiens. Diese Strömungen scheinen nach der heftigen Nationalismus-Phase wieder die Oberhand zu gewinnen.

Nationalisten gegen Altkommunisten

Die intellektuelle Diskussion Serbiens wird zur Zeit beherrscht von der Auseinandersetzung zwischen nationalistischen „Tschetniks“ und altkommunistischen „Partisanen“. Schwarzseher befürchten gar eine Neuauflage des innerserbischen Bürgerkrieges, den nach dem Zweiten Weltkrieg Titos Partisanen gegen den Tschetnikführer Draža Mihajlović gewannen. In ihren überall zitierten Schriften verurteilen Marković und andere SK- PJ-Funktionäre die Ultranationalisten als Kriegstreiber; in Bosnien führt die Sozialistische Partei einen nicht erklärten Vorwahlkampfkrieg gegen Karadžićs Serbische Demokratische Partei (SDS). Auch die spektakuläre Äußerung des jugoslawischen Präsidenten Lilić, Millionen Bürger Jugoslawiens dürften nicht Geiseln in den Händen irgendwelcher serbischen Führer sein, war klar gegen Karadžić gerichtet und nicht die erste dieser Art – Milošević selbst hat mit diesen Worten vor zwei Jahren Krajina-Serbenführer Milan Babić entmachtet.

Belgrad ohne Karadžić-TV

Es gibt auch konkretere Druckmittel. Die Hauptnachrichtensendung von TV Pale, Karadžićs Haussender, die bisher auch in Serbien verbreitet wurde, ist aus dem Belgrader Programm geflogen. Ein Munitionsdepot bei Belgrad, in dem angeblich Nachschub für Karadžić lagerte, ist explodiert. Und eine Affäre um den Handel mit Öl, die derzeit die Regierung der bosnischen Serben erschüttert, ist nach Insider-Meinung ebenfalls ein aus Belgrad lancierter Torpedo gegen Karadžić. Der Wochenend- Leitartikel der Politika rief die bosnischen Serben auf, den Fehler vom Januar 1993 nicht zu wiederholen – damals stimmte das Parlament in Pale gegen die Annahme des Vance-Owen-Friedensplanes.

Gegenüber den Außenministern Großbritanniens und Frankreichs, Hurd und Juppé, die am Mittwoch in Belgrad und Pale mit den Serbenführern sprachen, verlangte Karadžić allerdings, daß die internationale Anerkennung seiner Republik der unmittelbar nächste Schritt nach der Annahme des Friedensplanes sein müsse. So kann das Parlament in Pale, das am Montag über den Plan abstimmen wird, wenigstens ohne allzu großen Gesichtsverlust zustimmen.