: Leonid Kutschma spricht ukrainisch
■ Der neue Präsident will keine Anbindung an Rußland
Kiew (AFP/taz) – Seit der Wahl Leonid Kutschmas zum ukrainischen Präsidenten sind kaum drei Tage vergangen – und schon hat der ehemalige Rüstungsmanager seine Wahlkampfparole von der engeren Anbindung an Rußland zurückgenommen. Die Ukraine sei, so Kutschma auf einer Pressekonferenz, ein souveräner und völlig unabhängiger Staat. Er habe nie die Rückkehr Kiews zum russischen Imperium propagiert. Zwar seien die Beziehungen zu Rußland wichtig, doch werde er nicht zulassen, daß diese den Kontakten zu anderen Ländern schaden. In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit war Kutschma noch einen Schritt weiter gegangen und hatte die Beziehungen zu Moskau denjenigen zu den USA und Deutschland gleichgestellt.
Beobachter bringen diese Äußerungen freilich in Zusammenhang mit der Niederlage, die Kutschma bei den Wahlen am Sonntag in der Westukraine erlitten hat. Nachdem er während des Wahlkampfs die russische Bevölkerung des Landes für sich gewonnen habe, seien nun die „nationalistischen Ukrainer“ dran. Dazu paßt, daß Kutschma bei der Pressekonferenz selbst auf Fragen russischer Journalisten auf ukrainisch antwortete, obwohl er diese Sprache nur unzureichend beherrscht. Keine Versprechungen machte der Präsident dagegen der nach Selbständigkeit strebenden Krim. Das Wahlvotum der Halbinsel für Kutschma interpretierte dieser als ein Votum für die Ukraine.
Die Betonung der Unabhängigkeit der Ukraine bestimmte auch die Antwort, die Kutschma auf die Frage nach der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags gab. Diese könne erst nach „sorgfältiger Prüfung“ und nicht vor 1995 erfolgen. Zugleich forderte Kutschma den Westen auf, sein Land tatkräftig zu unterstützen: „Ich wäre froh, wenn Deutschland und andere Länder des Westens von Deklarationen zu konkreten Hilfsleistungen übergingen.“
Doch nicht nur in der Außenpolitik hat Kutschma inzwischen seine Linie geändert. Nachdem es ihm gelungen war, die linken Kräfte des Landes für eine Unterstützung bei der zweiten Runde der Präsidentenwahlen zu gewinnen, griff er sie nun scharf an. Das Parlament und seine kommunistische Mehrheit seien die legislative, nicht die exekutive Kraft des Landes. Der Hintergrund: Während die Linke die Macht des Präsidenten beschränken will, denkt Kutschma an eine Präsidialregierung der starken Hand. Die Kompetenzen des Präsidenten werden bisher von der Verfassung nicht festgeschrieben. Seine erste Auseinandersetzung mit den Kommunisten hat Kutschma bereits verloren. Die Abgeordneten weigerten sich, einem Kutschma-Anhänger das Mandat zurückzugeben, das sie diesem wegen eines Formfehlers entzogen hatten. her
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