: EU läßt Karton-Kartell platzen
■ Höchststrafen wegen Preisabsprachen
Brüssel (taz) – Fast alle europäischen Kartonhersteller fanden gestern früh höchst unangenehme Nachrichten in ihrem Büro vor. In der Nacht hatte die Europäische Kommission 19 Bußgeldbescheide in mehrstelliger Millionenhöhe gefaxt. Insgesamt verhängte sie Strafen wegen illegaler Marktabsprachen in der neuen Rekordhöhe von rund 260 Millionen Mark. Unter den betroffenen Firmen sind auch fünf deutsche Unternehmen.
Neben einigen Betrieben, die relativ schnell geständig gewesen sein sollen, bekam vor allem der schwedische Verpackungshersteller Stora AB einen erheblichen Strafnachlaß zugestanden und muß statt 60 nur 20 Millionen Mark zahlen. Wie der Brüsseler Wettbewerbs-Kommissar Karel van Miert verbreiten ließ, hat Stora als Kronzeuge der Kommission beim Auspacken des Kartonkartells geholfen.
Die ehrlichen Schweden waren nach der Übernahme der Düsseldorfer Feldmühle AG offensichtlich nicht damit zurechtgekommen, plötzlich den Drahtzieher eines illegalen Kartellrings unter ihrem Konzerndach zu haben. Seit 1981 sollen leitende Angestellte der Feldmühle, die damals noch dem politischen Landschaftspfleger Friedrich Karl Flick gehörte, am Aufbau einer europaweit abgestimmten Preiserhöhungsorganisation gearbeitet haben. Ab 1986 hat die private Marktordnung nach den Recherchen der Brüsseler Kommission dann funktioniert.
Bei regelmäßigen Geheimtreffen in Zürich teilten die Produktionschefs die Märkte auf und verabredeten die nächste Preiserhöhung. Zwischen 1988 und 1991 stiegen – harmonisch abgestimmt – zweimal jährlich die Listenpreise. Als Berechnungsgrundlage benutzten die Firmen die Produktionsstatistiken, die beim europäischen Papierherstellerverband CEPI in Brüssel geführt werden.
Bis auf einige kleinere Nischen war der gesamte europäische Markt hochwertiger Kartonprodukte, von Zigarettenschachteln über Postkarten bis zu Großverpackungen, von der Züricher Runde geordnet. Für Deutschland beteiligten sich Buchmann aus Rinnthal, Europa Carton aus Hamburg, Gruber und Weber aus Gernsbach, Laakmann aus Velbert und Moritz J. Weig aus Mayen. Durch eine informelle Beschwerde britischer und französischer Verbraucherverbände war die Brüsseler Kommission auf das Treiben aufmerksam geworden und hat 1991 Ermittlungen eingeleitet. Die Kommission kann Bußgelder bis zu zehn Prozent des Umsatzes verhängen. In der Regel gehen die Strafen aber höchstens bis fünf Prozent des Umsatzes. Alois Berger
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