Widerstand ohne Reinheitszertifikat

Der wissenschaftliche Leiter der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“, Peter Steinbach, erhielt mitten im wieder aufgeflammten Streit um seine Ausstellung das Bundesverdienstkreuz  ■ Aus Berlin Anita Kugler

Im Amtszimmer des Berliner Kultursenators Ulrich Roloff-Momin (parteilos) fand gestern eine kleine Demonstration statt. Angehörige und direkt Beteiligte des deutschen Widerstands gegen Hitler waren erschienen, um mit dabeizusein, als der Kultursenator eine der letzten Anweisungen des Ex-Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker befolgte. Dieser hatte nämlich am 7. März entschieden, daß Peter Steinbach, der wissenschaftliche Leiter der Berliner „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ sich um „Volk und Staat“ so sehr verdient gemacht habe, daß er mit dem Bundesverdienstkreuz zu ehren sei.

Und daß diese Preisverleihung gerade jetzt stattfindet, wo die Auseinandersetzung über das Ausstellungskonzept von Peter Steinbach geradezu die Dimensionen eines „Historikerstreits“ (Steinbach) annimmt, freute natürlich die Gäste – darunter auch Hildegard Hamm-Brücher.

Kultursenator Roloff-Momin wurde sehr deutlich. In Anspielung auf den Stauffenberg-Sohn Franz Ludwig erklärte er, daß es kein „Reinheitszertifikat unvermischten Widerstandes“ gebe. Stauffenberg hatte unlängst auf der Bundespressekonferenz (wie kommt er dahin??) verlangt, daß die Dokumente über kommunistische Hitler-Gegner im Exil und vor allem die von Walter Ulbricht und Wilhem Pieck aus der Ausstellung im sogenannten Bendler-Block zu verschwinden hätten. Momin: „Die beiden Formen des Kampfes von innen und von außen, lassen sich eben nicht säuberlich in gedenkstättenwürdig und gedenkstättenunwürdig einteilen.“ Stauffenbergs Behauptung, daß Walter Ulbricht und Wilhlem Pieck in der Ausstellung „geehrt“ würden, sei falsch. „Kranzhaken“ seien nicht unter ihren Portraits angebracht. Peter Steinbach, der gestern wirklich Geehrte, nahm den Orden mit leiser Ironie entgegen. „Es gibt nichts Wandelbareres in diesem Jahrhundert der Verirrungen und Verwirrungen als Orden und Eide.“

In die Debatte über die Rolle der Kommunisten am Widerstand griffen gestern auch Freya von Moltke, die Witwe des Begründers des „Kreisauer Kreises“, und Rosemarie Reichwein, Witwe des Kreis-Mitglieds Adolf Reichwein, ein. In einem Gespräch mit der taz betonte Rosemarie Reichwein, daß gerade Stauffenberg es für notwendig gehalten habe, den Kontakt zu den Kommunisten zu suchen. Sein Sohn betreibe „Geschichtsklitterung“ und „beschädige mit seiner Polemik das Bild des eigenen Vaters“. Reichwein: „Kommunisten im Widerstand und das russische Volk, das von Hitlers Armeen überfallen wurde, brachten im Zweiten Weltkrieg die meisten Opfer. Das muß in der Dauerausstellung in der Stauffenbergstraße dokumentiert bleiben.“ Offensichtlich würden die Kritiker heute vergessen, daß „die Widerständler gegen Hitler und nicht für das Grundgesetz gekämpft haben“. Sie wandte sich damit direkt gegen den Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU), der schon im Oktober, als er Teile des Bendlerblockes zu seinem Amtssitz erkor, erklärt hatte: „Menschen, die das Unrechtsregime nur bekämpft haben, um es dann durch ein anderes zu ersetzen, verdienen es nicht, an gleicher Stelle geehrt oder gewürdigt zu werden, wie Leute wie Graf Stauffenberg, Goerdeler oder Leuschner.“

Fast wortgleich ist dies auch die Position des Stauffenberg-Sohns Franz Ludwig (CSU), des sozialdemokratischen Kurt-Schuhmacher- Kreies und des reaktionären Rings Deutscher Soldatenverbände.

Auch Freya von Moltke betonte gestern, daß es „unerhört“ wäre, wenn die Kommunisten nachträglich aus dem Widerstand ausgegrenzt würden. Auch die Rolle des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ (NKFD) müsse positiv erwähnt bleiben. Die Radioappelle des NKFD seien wirkungsvoller gewesen als die BBC- Ansprachen von Thomas Mann. Das NKFD, das ab 1943 von sowjetischen Boden aus zum Sturz des Hitler-Regimes aufrief, stützte sich vor allem auf Kommunisten und deutsche Kriegsgefangene, die die Schlacht um Stalingrad überlebt hatten.

Zu Wochenbeginn hatten die Historiker Joachim Fest, Klaus Hildebrand und Lothar Gall zum Angriff gegen das NKFD geblasen. Es gehöre nicht zum Widerstand, weil seine Mitglieder aus dem Exil heraus agiert hätten. Peter Steinbach verteidigte hingegen sein Ausstellungskonzept. „Die Nazis haben keinen Unterschied zwischen Angehörigen des kommunistischen und militärischen Widerstandes gemacht.“ Mit der versuchten Ausklammerung falle die Debatte auf den Stand der 50er Jahre zurück.