Senat gibt ganz viel Geld aus

■ Voscherau präsentiert Etatentwurf 95: Ausgaben, Investitionen, Schulden wie nie zuvor / Gespart wird auch: im Kleinen Von U. Exner und F. Marten

Mit 18,3 Milliarden Mark, einer Neuverschuldung von 1,7 Milliarden Mark, geplanten Vermögensveräußerungen von 1,3 Milliarden und einer Zinslast von 1,8 Mrd DM legte der Hamburger Senat gestern seinen Haushaltsentwurf 1995 vor – den umfangreichsten und löchrigsten der Stadtgeschichte. Er muß vor seiner endgültigen Verabschiedung Mitte Dezember noch den Haushaltsauschuß und die Bürgerschaft durchlaufen. Große Änderungen sind da nicht zu erwarten.

Vier Tage lang hatte das Senatskollegium trotz geöffneter Fenster und viel Papiergewedels im großen Bürgermeistersaal geschwitzt – gestern präsentierten es das Ergebnis in stilvollem Rahmen, am Tatort: „Wer dem besten seiner Zeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zeit“ – unter diesem metallgegossenen Sinnspruch stimmten Stadtchef Henning Voscherau und sein insgeheim designierter Nachfolger Ortwin Runde (Finanzsenator) Medien und Öffentlichkeit zunächst verbal auf ein finanzielles Gruselkabinett ein: „Heulen und Zähneklappern, jetzt ist es soweit“, verkündete Voscherau. „Das scheußlichste Jahr der Finanzgeschichte“, assistierte Runde eilfertig.

Ein Satz, den er sich fürs nächste Jahr (dann stehen weder Bundes- noch Bürgerschaftswahlen an) getrost merken kann. Denn gemessen am 1,8-Milliardenloch fallen die tatsächlichen Sparmaßnahmen 1995 eher bescheiden aus und lassen reichlich Lücken für 1996.

So wurde das ursprünglich vom Senat anvisierte Ziel einer zusätzlichen Einnahmesteigerung von 100 Millionen Mark kräftig verfehlt: Handelskammer, Voscherau und Statt-Partei verhinderten die Erhöhung der Gewerbesteuer und blieben deshalb bei 34 Millionen DM Mehreinnahmen hängen. Zur Kasse gebeten werden dafür Automatendaddler (Erhöhung der Spielgerätesteuer), Hundehalter (zahlen künftig 180 statt 120 Mark Hundesteuer) und Hafenfirmen (sehr sanfte Pachterhöhung) entrichten.

Da wundert's wenig, daß Runde ausgesprochen stolz war, wenigstens das sogenannte „Konsolidierungsziel“ bei den laufenden Ausgaben der einzelnen Behörden „vollständig erreicht“ zu haben. 400 Millionen sollen bei Personal-, Sach- und Fachausgaben eingespart werden. Kleine Mogelei: Darin sind 100 Millionen eingerechnet, um die die diese Etats schon in diesem Jahr reduziert worden. Ergibt als realen Spar-“Erfolg“ –95: 300 Millionen Mark. Dahinter verstecken sich allerdings Kürzungen, die weniger mit Hamburger als mit Bonner Politik – Beispiel Pflegeversicherung – zu tun haben. Der Rest kommt durchs sogenannte „Ecken auskehren“ in den Behörden, Dienstleistungseinschränkungen und Sparen am unteren Ende der Sozialpyramide (Häftlinge, Sozialstationen) zusammen.

Bleiben immer noch 1,3 Milliarden Mark Miese zuzüglich gut zwei Milliarden Mark geplanter Investitionen, dennen der Senat mit einem kräftigen Rundumschlag begegnen will: Die Investitionen des Jahres 1995 werden sollen fast vollständig von den Banken vorfinanziert werden und belasten so per Zinslast die kommenden Haushaltspläne.

Dazu kommen: a) ein netter Kunstgriff in Form der Umwandlung der Stadtentwässerung in eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Auch das bringt zunächst Zusatz-Einnahmen (1,8 Mrd DM in den kommenden zwei, drei Jahren), geht aber in den Folgejahren zu Lasten des Stadthaushalts, weil die Gebühren-Einnahmen ausbleiben.

Und b) die übliche letzte Rettung: Der Verkauf städtischer Grundstücke, Häuser und Unternehmen. Über Objekte und erwartete Erlöse schwieg Voscherau sich gestern aus – um die Preise nicht zu verderben.