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: Pro Familia in 1:30

„Von der Scheidung zum Sozialfall“(Wdh.), Mi, 15 Uhr, RTL, „Gewalt in der Erziehung“, Mi, 22.15 Uhr, ZDF

Der Nachmittag schon stimmte alle, die aus welchen Gründen auch immer um drei vor dem Fernseher sitzen müssen, behutsam ein. Zum blöden Jahr der Familie ging es bei Ilona Christen betroffenheitsheischend um Betrübliches: „Von der Scheidung zum Sozialfall“ hieß das Thema, und Ingrid, Udo, Eva und andere waren gekommen, um in „eins-dreißig“ von ihren erschütternden Familienschicksalen zu erzählen. Udo Gramlich, den seine Frau kurz entschlossen rausgeschmissen hatte, muß nun furchtbar viel Unterhalt zahlen: „Mir bleibt nichts mehr.“ Jetzt wohnt er wieder im Jugendzimmer bei Muttern. Nach 21 Ehejahren war auch bei Ingrid „Schluß“. Der Mann ließ sie sitzen. „Er hat auch die Kinder geschlagen.“ Von nun an ging's bergab, denn der Mann zahlt kaum was. Zuweilen mußte die mittlerweile Obdachlose sogar draußen schlafen.

Traurige Geschichten. Noch trauriger, daß die Short-versions erlittenen Lebens nicht anders können, als in Klischees stecken zu bleiben. Am traurigsten, daß die programmatische Anteilnahme an Medienschicksalen, zu denen die Gäste geladen wurden, größer zu sein scheint, als die Anteilnahme an wirklichen Menschen – Ilonas Infoline war jedenfalls ständig besetzt. Elend in Häppchen, dazwischen gibt's Reklame für Hundefutter und morgen: „Hilfe, es spukt. Wir haben einen Hausgeist“.

Davor – nämlich am gleichen Abend – unterhielten sich im ZDF-Talk „Doppelpunkt“ aber noch Menschen wie du und ich sozusagen übers Für und Wider des Kinderschlagens. Während Dominique, ein 27jähriger Erzieher, von gräßlichen Schlageritualen berichtete – vom Warten auf Vater und Arschvoll, von der Mutter, die ihm oft eine schallerte, und daß er selber daraufhin auch gerne Schwächere schlug – fand Ellen, Mutter von fünf Kindern, daß ein „Klaps auf den Po“ nicht schade. Denn „das Kind ist das Kind und ich bin das Elternteil“. Außerdem sei ihr neunjähriger Sohn nicht schwächer als sie. Ab und an „mache ich auch Liebesentzug“.

Über psychoterroristische Formen der Kinderdisziplinierung wie Anschreien, schlechtes Gewissen machen oder unterschiedliche Erziehungsziele wurde kaum gesprochen. Nächstes Mal geht's darum, was denn heute noch pervers sei. Detlef Kuhlbrodt