■ Mit Mexikos Reichtum auf du und du
: Aufsteiger-Paradies

Mexiko-Stadt (taz) – Allen chiapanekischen Unkenrufen zum Trotz: Das moderne Mexiko ist und bleibt ein Land unbegrenzter Möglichkeiten – zumindest für seine milliardenschwere Business-Elite. Denn schließlich glänzt das Land, dessen Image seit Januar dieses Jahres abrupt vom „Erste Welt“-Anwärter zum Armenhaus abgerutscht war, auf einem wundersamen vierten Platz auf der alljährlichen Reichen-Liste des US-Magazins Forbes. Von den 358 Familien, deren Privatvermögen von Forbes auf mehr als eine Milliarde Dollar geschätzt wird, sind immerhin 24 mexikanisch.

Nur Mitglieder der internationalen Industrie-Elite liegen noch vor Mexiko: Die USA kann mit 120, Deutschland mit 42 und Japan mit 36 Multimillionären aufwarten; das restliche Lateinamerika muß sich dagegen mit ganzen 16 Superreichen begnügen.

Dieses Jahr besitzen die 24 reichsten Familien des Landes alleine um die 44 Milliarden Dollar – genug, um ein Drittel der mexikanischen Außenschuld zurückzukaufen. Ein paar Zahlenspiele: 44 Milliarden sind, wie La Jornada vorrechnet, 40 Prozent des durchschnittlichen Jahreseinkommens aller MexikanerInnen. Nur den dreizehnten Teil dieser Summe gibt die Regierung zur Bekämpfung der Armut aus.

Nach offiziellen Schätzungen leben im Schatten des neoliberalen Wirtschaftswunders immerhin 42 Millionen arme oder „extrem arme“ MexikanerInnen, also knapp die Hälfte der Bevölkerung. Auf der Sonnenseite haben die milliardenschweren 24 Familien ihren Reibach vor allem an der boomenden Börse, im gerade erst privatisierten Bankengeschäft, in der Mobilfunkbranche, aber auch mit Supermarktketten und im Tourismus gemacht – und weniger in der Produktion.

Allesamt sind sie Nutznießer einer Umverteilung, die vor zehn Jahren eingeleitet wurde. Während es den obersten zehn Prozent im Laufe dieser Dekade immer besser ging – so eine Studie der renommierten Wirtschaftsuniversität Itam – sank der Anteil der restlichen 90 Prozent am Einkommenskuchen. In Mexiko ging es in den vergangenen Jahren wie im Lehrbuch für Strukturanpassung zu: In nur wenigen Jahren schrumpfte die Zahl der Staatsunternehmen von 1.200 auf 200; die Inflation sank von 160 Prozent 1987 auf sieben Prozent im laufenden Jahr. Der Gatt-Beitritt 1986, die Nafta-Ratifizierung 1993, vor allem aber die langer sehnte Aufnahme in die OECD im vergangenen März runden das Bild von der schönen neuen Welt südlich des Rio Grande ab. So ist es auch kein Wunder, daß in einem derart freundlichen Klima auch die Multimilliardäre überdurchschnittlich gut gedeihen: Während die Anzahl der Superreichen im Weltdurchschnitt um 15 Prozent stieg, betrug ihre mexikanische Wachstumsrate 85 Prozent. Anne Huffschmid