Zwischen Kinderschuhen und Pantinen

■ American Football kämpft auch in der Hansestadt noch immer gegen sein schlechtes Image

American Football steckt in Deutschland in den Kinderschuhen. Zwar stimmen die Zuschauerzahlen, wächst das öffentliche Interesse, doch in punkto Vermarktung und Finanzierung liegt noch manches im argen.

Das ist auch in Hamburg nicht anders. Erst vor wenigen Wochen mußte sich der Bundesligist Silver Eagles bis auf weiteres vom Punktspielbetrieb zurückziehen – der Verein war trotz passabler Publikumsresonanz zahlungsunfähig. Beim größeren, wenngleich jüngeren Bruder, den Hamburg Blue Devils, lief ebenfalls nicht alles nach Plan. Die spielten zwar bislang sehr erfolgreich in der dieses Jahr gestarteten Football League of Europe (FLE) – vor den beiden letzten Begegnungen nach der bis Mitte August dauernden Sommerpause sind die Hanseaten Zweite in der North Conference –, doch dafür gab es finanziell etliche Schwierigkeiten. Gelder aus den USA, mit denen Manager Axel Gernert fest gerechnet hatte, kamen nicht an. Die FLE stand bereits in ihrer ersten regulären Spielzeit vor dem Aus. Inzwischen hat sich die Lage dank neuer Finanziers leicht entspannt, Grund zur Entwarnung besteht dennoch nicht.

Auch Devils-Pressesprecher Jens Stümpel weiß um die (Image)probleme, mit denen nicht nur sein Verein zu kämpfen hat: „Wir befinden uns noch in der Aufbauphase und müssen erst die Voraussetzungen schaffen, damit Football auch in Zukunft eine Chance hat.“ Die Ansätze sind vielversprechend: Der Hamburger Europaligist hat bisher einen Schnitt von rund 9.000 Besuchern pro Heimspiel erreicht, eine solide Basis, auf die sich bauen läßt. Fast noch wichtiger ist der Zulauf von anderer Seite. „Immer mehr Schulen fragen bei uns an“, freut sich Stümpel darüber, daß zumindest die Kids Football ins Herz geschlossen haben. Die haben immer weniger Lust auf Bodenturnen oder Liegestütz, eine Entwicklung, die sich die Devils zunutze machen. „Wir unterstützen einzelne Projekte“, erklärt Stümpel und verschweigt auch nicht, weshalb sich sein Verein so vehement ins Zeug legt: „Wir wollen die jungen Leute frühzeitig an uns binden.“

Das ist auch notwendig, denn bislang fehlte es den Football-Vereinen hierzulande am nötigen Unterbau für ihre Männermannschaften, in denen vor allem die US-Legionäre als Aushängeschilder fungieren. Ganz langsam zeichnet sich jedoch eine Wende ab. Einige Hamburger Spieler sind feste Größen in der ersten Mannschaft, die Grey Devils spielen erfolgreich in der Verbandsliga und dem Nachwuchsteam, den Junior Devils, gelang unter Starspieler Ronnie Cunningham als Trainer der Sprung ins Finale der deutschen Jugendmeisterschaft. Alles Schritte zu mehr Akzeptanz, denn ein großer Teil der Öffentlichkeit steht Football weiterhin skeptisch, wenn nicht gar ablehnend gegenüber: Die Vorwürfe reichen von „Operettenliga“ bis zu „Retortenteams“.

Ganz von der Hand weisen kann auch Stümpel diese Kritik nicht, bleibt aber dabei, daß Football eine ernstzunehmende Sportart sei: „Das Beiprogramm, gerade die Cheerleaders, sind wichtig, sie stehen aber nicht im Vordergrund.“ Sie sollten es zumindest nicht, was manche Football-Fans jedoch anders sehen: Für sie ist die Unterhaltung am wichtigsten. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Football ausschließlich Show ist. Auch bei den Heimspielen des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli ist die (Selbst)-Inszenierung essentieller Bestandteil der Gesamtveranstaltung und oftmals eigentlicher Grund des Kommens.

Trotz alledem werden auch in Zukunft die Anfeindungen nicht weniger heftig sein. „Die Playoffs Anfang September sind eine gute Gelegenheit, es allen Kritikern zu zeigen“, gibt sich Stümpel kämpferisch. In der Tat könnte eine (auch sportlich) überzeugende Halbfinal-Veranstaltung die Wende zum Besseren einleiten. Danach ist es mit den Kinderschuhen vorbei. Diese werden dann entweder zu klein sein oder der Hamburger Football ist endgültig aus seinen Pantinen gekippt. Clemens Gerlach