Auf dem Weg zum Öko-Schiff

■ Vulkan-Arbeitskreis „Andere nützliche Produkte“ / Umsetzung schwierig

So mancher verkrüppelte Fisch verdankt seine Eiterbeule dem Zink. Jenem Zink, das in 2,5-Tonnen-Klötzen Schiffen angeschweißt wird. Die Klötze fungieren als Anoden: Sie werden der galvanischen Strömung im Meerwasser „geopfert“, damit der Messing-Propeller heil bleibt. „Schweinerei“, sagt Ulli Wölfl, Maschinenschlosser und Mitglied im Vulkan-Arbeitskreis „Andere nützliche Produkte“. Die Alternative zum Zink gebe es längst: elektromagnetische Anoden. Vorgeschrieben sind sie aber nicht. Wie so vieles andere Sinnvolle auch nicht: Klüsen an der Bordwand zum Beispiel. Hätte der vor den Shettland-Inseln verunglückte und dann von seiner Mannschaft flugs verlassene Öltanker „Braer“ solche Festmach-Buchsen gehabt, hätte ihn der zufällig vorbeikommende Hochseeschlepper abschleppen können.

Oder Doppelruder! Bei dem Thema könnte sich Betriebsrat und Schlosser Fritz Bettelhäuser in Fahrt reden. Doppelruder hat jedes Militärschiff – damit es auch dann noch mobil ist, wenn ein Ruder ausfällt. Für Öltanker ist sowas nicht vorgeschrieben. Schweinerei, sagen die 18 Mitglieder des Arbeitskreises einstimmig. Und erst der Schornstein, fällt Vulkan-Tischler Jürgen Grünheid ein, „ein krimineller rechtloser Raum“. Ohne Filter! An Land bekäme die Maschine keine Zulassung nach der TA-Luft. „Und damit fahren die bis zu 150 Kilometer weit auf den Flüssen ins Landesinnere.“

Ein Schiff ist zwar nützlich, aber es könnte verdammt viel umwelt- und sozialverträglicher sein, stellt der Arbeitskreis deshalb fest. Jetzt hat er eine Checkliste zusammengestellt, die die Schiffsmaler in Vegesack, die unter den Dämpfen der Anti-Fouling-Farben leiden, genauso berücksichtigt wie die Inder, die in Gujarat die abgewrackten Schiffe wieder in ihre (schadstoffreichen) Teile zerlegen.

An alles haben die Vulkanesen gedacht, und sich manchmal ein bißchen verlaufen: bis zur Radrennbahn rund ums Schiff. Was schließlich sollen Seeleute am Feierabend machen – mit der heutigen Minibesatzung läßt sich ja keine Fußballmannschaft mehr zusammenstellen. Die Radbahn hat man dann aber doch nicht in die Broschüre aufgenommen, wohl aber das Gewächshaus. Damit ist es den Vegesacker Schiffsbauern ernst. Noch ernster allerdings mit einem vibrationsgeschützen Deckshaus – viele Seeleute werden von den Motorenvibrationen krank. „Bei Kriegsschiffen gibt es das – weil nämlich ein vibrierendes Schiff besser geortet werden kann. Es muß also gar nicht alles neu erfunden werden.“

Nur, wer soll das alles bezahlen? „Wir würden solche Schiffe schon gern bauen, aber die Reedereien verlangen das nicht“, sagt der Vorstand. Doch die Vulkanesen sind zäh. Mit der jahrelangen Asbestkampagne hat man schließlich auch irgendwann den Erfolg eingefahren: Als nämlich 1979 die asbesthaltige „United States“ umgebaut werden sollte, weigerte sich die Vulkan-Belegschaft – mitten in der Werftenkrise. „Wir haben das Thema Asbest in die Schlagzeilen gebracht“ sagt der Arbeitskreis.

Damit ist es nicht getan: Verbündete müssen her, damit der Druck auf den Gesetzgeber größer wird und Doppelruderanlagen, Schornsteinfilter und andere sinnvolle Verbesserungen vorgeschrieben werden.

Eine wahre Sisyphusarbeit, geht doch der Trend im Schiffahrtswesen wegen des wachsenden Wettbewerbs der Reeder zum Beispiel zu immer kleineren, immer schlechter ausgebildeten Besatzungen. Doch der Arbeitskreis „Andere nützliche Produkte“ legt ganz woanders seine Meßlatte für Erfolge an: Ein Erfolg zum Beispiel sei die Einladung der SPD-Bundestagsfraktion zum Vortrag – die will nun allerlei Forderungen in die Enquete-Komission einbringen. Ein Erfolg sei auch, daß eine CDU-Abgeordnete des Europaparlamentes „unsere Forderungen verinnerlicht hat“ und die Vulkan-Crew mit den neuesten Papieren versorgt.

Natürlich steht auch die IG Metall, Bezirk Küste, hinter dem Konzept der Vulkanesen – bloß hat sie halt dauernd soviel mit der Rettung von Betrieben zu tun. „Aber wir sind dabei, die IG Metall zu einer Tagung mit der ÖTV über Schiffbau und Seefahrsprobleme hinzuschieben“, sagen die Vulkanesen. Und für das nächste Frühjahr ist bereits eine Tagung mit ähnlichen Arbeitskreisen aus ganz Europa geplant. Da will man überlegen, wie man einzelne Anliegen konzentriert ins Europa-Parlament bringt.

Jetzt habe auch der grüne Senator Fücks den Braten gerochen, erzählen die Schiffsbauer. Der plane ein „Greenship“. Naja, sagt Fücks selbst dazu, im Moment schaue man noch, ob man in Bremen genügend Interessenten aus Wissenschaft und Industrie für ein großes Modellvorhaben „umweltfreundliche Meerestechnik“ zusammenbekommen kann. Dann könnte auch darüber nachgedacht werden, mit welchen Gesetzen so ein Schiff ohne öffentliche Zuschüsse gebaut werden könnte.

Auch die Vulkan-Arbeitsgruppe hat Fücks schon mal nach Beteiligung an einem solchen Modellprojekt gefragt. Die sind aber eher sauer darüber. „Da kommen dann so ein paar hochdotierte Akademiker, denen man alles erklären soll. Wir wollen aber nicht nur Berater sein, und die anderen verdienen dick an dem, was wir nach Feierabend gemacht haben. Wenigstens drei Arbeiter sollen ins Projektteam.“

Christine Holch