Schräge Zukunftstöne

■ Musik-Events beim Visionen-Kongreß

„Und nun lassen Sie sich noch ein wenig berieseln !“ – so kündigte einer der Organisatoren des Kongreß „Visionen menschlicher Zukunft“ das Abschlußkonzert am Sonntag abend an, und dieser herablassende Ton war bezeichnend für die Art, wie hier Musik präsentiert wurde. Ein Konzept war in dem Programm mit Salsa, indianischen Protestsongs und percussiver Weltmusik nicht zu finden – Floyd Wersterman und Reinhard Flatischler waren eh mit Vorträgen und Workshops im Programm vertreten auf und die Salsaband „Son Bakan“ aus Hamburg war wohl recht günstig zu haben.

Die Band muß große Hoffnungen in diesen Auftritt gesetzt haben, denn es wurde extra für dieses Konzert plakatiert – an jeder Straßenecke im Viertel strahlten die Musiker in ihren schicken Hemden auf das potentielle Publikum. Aber das Fernsehen und die ungeschickte Organisation des Kongreßes machte der Band und all jenen, die tatsächlich um 21 Uhr für diesen Auftritt in das Congress Centrum kamen und 25 Mark zahlten, einen dicken Strich durch die Rechnung. Den direkt vor dem Saal, in dem die Band spielen sollte, zeichnete Radio Bremen eine Gesprächsrunde der Gesundheitswerkstatt auf. Als das Konzert schon längst angefangen haben sollte, durfte das Publikum noch nichteinmal durch die Absperrungen in den Saal – alle hatten gefälligst leise zu sein, und so konnte die Band natürlich auch keinen Soundcheck machen. Als dann die Band 45 Minuten zu spät doch noch zu spielen begann, waren kaum noch Zuhörer da, und die wenigen Tanzenden wurden immer wieder von Rückkopplungen aus dem Takt gebracht. „Son Bakan“ entpuppte sich als sehr temperamentvoll und abwechslungsreich spielende Tanzkapelle, aber wenn nur etwa 5 Zuhörer auf jeden Musiker kommen, klingt auch der spritzigste Merengue eher traurig.

Auch das „Abschlußevent“ am Sonntag begann mit 40 Minuten Verspätung, aber das vergaß man sehr schnell, nachdem Floyd Westerman erstmal loslegte. Für ihn sei dies kein Konzert, sondern ein Besuch, verkündete der imposante Indianeraktivist, der durch seine Rolle in „Der mit dem Wolf tanzt“ berühmt wurde. So agitierte er auch mehr als er sang – und seine bissigen Kommentare, indianischen Weisheiten und pessimistischen Prophezeiungen waren viel eindruckvoller als die doch recht konventionellen Protestsongs, die er zur Klampfe und mit einer Stimme irgendwo zwischen Leonard Cohen und Jonny Cash vortrug. Ganz nebenbei demonstrierte er die Tugenden eines großen Häuptlings, denn wenn er dem Publikum befahl aufzustehen oder gefälligst mehr zu klatschen, dann stand die visionäre Gemeinde stramm. Leicht absurd wurde die Veranstaltung, als die Maya Priesterin Calixta Gabriel Xiquin von Westermann auf die Bühne geholt wurde und unbeding noch ein Poem auf spanisch vortragen mußte, obwohl sich bei Nachfrage herausstellte, daß außer Westerman niemand im Publikum spanisch verstehen konnte.

Auch bei Reinhard Flatischler standen alle Zuhörer brav auf, um zuerst die Stille und dann den Rhythmus mit dem ganzen Körper zu spüren. Danach sangen und klatschte man noch ein wenig in kosmischer Einheit bis Flatischler noch ein paar Minuten lang eine Coda aus den Rhythmen von Afrika, Asien und Lateinamerika trommelte. Alle schienen sehr ergriffen, aber eine Zugabe hat das Publikum nicht verlangt. Willy Taub