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SanssouciNachschlag

■ Die Welt zerfällt: Produkte der "PGH Glühende Zukunft" in der Galerie am Chamissoplatz

Vor allem sind sie auffällig: Henning Wagenbreths apokalyptische Landschaften mit ihren fliegenden Fischen, gestrandeten Schiffen, dem Mond, der mit Schlittschuhen an den Füßen wartet, bis das Meer zufriert; Anke Feuchtenbergers melancholische Geschichten von Frauen und Tigern; Detlev Becks zerfranste Körper an zerstobenen Straßenkreuzungen; und Holger Fickelscherers kantige Bären, Unterhemdenträger und Zigarren: Produkte der „PGH Glühende Zukunft“, die zur Zeit in der Galerie am Chamissoplatz ausgestellt sind.

„PGH Glühende Zukunft: ein Qualitätssiegel“, so Fickelscherer nicht zu Unrecht. – Er ist es wohl, der die radikalste Bildersprache entwickelt hat. Mit all den pointenversessenen Karikaturen und heiteren Wegwerfbildchen, über die der müde Blick sonst beim Zeitunglesen schweift, haben seine Zeichnungen und Comics nichts zu tun. Keine pummelig-stilisierten Knuddeltiere, sondern flächige, steife Gestalten, die riesige Schatten werfen, sitzen in den imaginären Räumen aus Schwarz und Weiß fest. Die Welt zerfällt in Form, Ornament und wilde Perspektiven. Die kryptische Einsilbigkeit der Dialoge und Bildtitel tut ein übriges. Dennoch spielen sich noch im Rudimentären Dramen ab, so traumhaft-phantastisch und lakonisch, daß man nicht um Kafka herumkommt. Anke Feuchtenberger und Henning Wagenbreth stehen dem Surrealismus inklusive Vian und Buñuel nicht fern, und den einen oder anderen film noir werden sie sich auch angesehen haben.

Gegründet wurde die „Produktionsgenossenschaft des Handwerks“ als Manufaktur für subversive Flugblätter in den letzten Tagen der DDR – zu Zeiten, als man Linolschnitte nicht in erster Linie aus künstlerischen Gründen anfertigte, sondern weil sich davon 500 Drucke unauffällig und billig herstellen ließen. In der Noch-DDR diente die Gruppe als „Solidargemeinschaft“ (Fickelscherer), in der Schon-BRD als „Briefkastenfirma“ (Feuchtenberger). Mit zunehmendem Erfolg gehen die vier, die sich ohnehin eher in ihrem politischen Anspruch und ihrem künstlerischen Ethos denn in „Strich“ und Motivik getroffen hatten, immer mehr ihre eigenen Wege. Von den Ausstellungen abgesehen, arbeitet jeder für sich, dem eigenen, subjektiven Blick verpflichtet, der, so meint Wagenbreth, in den DDR-Jahren ein gutes Training erfahren hat.

Bisher konnten sie ihren künstlerischen Anspruch auch noch den Auftraggebern – Verlagen, Zeitschriften und Theatern – gegenüber durchsetzen. Fickelscherer zeichnet u.a. regelmäßig für zitty oder gestaltet in Hamburg Plakate für die Kampnagelfabrik, und Wagenbreths brüllendes Flugzeug wirbt derzeit in der ganzen Stadt für die „Heimatklänge“. Als witzige und irritierende Kunstpartikel in der Stadtlandschaft – auf Bauzäunen und Zeitungspapier – wirken die Bilder und Graphiken denn auch stärker als in der Galerie. Jörg Häntzschel

Noch bis 3.9., Di.–Fr. 13–18, Sa. und So. 15–18 Uhr, Galerie am Chamissoplatz, Kreuzberg.

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