Bischof Ruiz vermittelt wieder

In Mexiko steht eine neue Gesprächsrunde zwischen Vertretern der Regierung und den Zapatistas bevor / Abgeordnete lancieren Kampagne gegen deutsche Hilfsorganisationen  ■ Aus Mexiko-Stadt Anne Huffschmid

Die Weichen für einen erneuten Dialogversuch sind gestellt: nachdem der Gesprächsfaden zwischen der mexikanischen Zentralregierung und der chiapanekischen Guerilla über mehrere Monate lang abgerissen war, hat die Zapatistenarmee EZLN jetzt den neuen Friedensbeauftragten Jorge Madrazo offiziell als Unterhändler anerkannt. Außerdem schlug sie die Bildung einer Vermittlungskommission vor, der neben „herausragenden Persönlichkeiten“ auch Samuel Ruiz, Bischof von San Cristóbal de las Casas, wieder angehören solle. Die erste Verhandlungsmission des Bischofs im Frühjahr hatte zu einem vorläufigen Abkommen zur Beendigung des Aufstandes in Chiapas geführt. Diese Vereinbarung war aber im Juni von einer Vollversammlung von Vertretern der Indiogemeinschaften als unzureichend abgelehnt worden.

Die Ablehnung des Regierungsangebots bedeute „keine Lösung“, heißt es in einem Kommuniqué der EZLN. Ein Treffen mit den ZapatistInnen sei zwar „beantragt“, teilte Madrazo mit, aber bislang noch nicht konkret vereinbart. Auch Samuel Ruiz erklärte sich bereit, zum zweiten Mal in seine bewährte Vermittlerrolle zu schlüpfen. Allerdings ginge es vor der Fortsetzung des eigentlichen Dialogs, so der Bischof, zunächst „um eine Neudefinition von dem, was überhaupt beredet werden soll“. Die neue Verhandlungsrunde soll im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen am 21. August so bald wie möglich beginnen.

Attacke gegen Kirchen und empörte Dementis

Manch einem aber ist der engagierte Geistliche nach wie vor ein Dorn im Auge – und nicht nur er. Als „Handlanger der Guerilla“ denunzieren interessierte Kreise inzwischen nicht mehr nur den verhaßten Bischof, sondern auch kirchliche Organisationen aus Deutschland, darunter Miserior, Adveniat und Kirche in Not. Vor gut einer Woche waren die Hilfswerke von zwei Abgeordneten der Regierungspartei RPI – einer von ihnen ist zudem Vorsitzender der parlamentarischen Verteidigungskommission – direkt beschuldigt worden, Waffenkäufe der EZLN über Kanäle der Diözese von San Cristóbal zu finanzieren.

Die ebenso gewagte wie unbewiesene Behauptung löste eine Welle empörter Dementis aus. Als „Ungeheuerlichkeit“ bezeichnete der deutsche Botschafter in Mexiko, Peter Dingens, die Anschuldigung. Zwar unterstützen die genannten Organisationen seit Jahrzehnten diverse lokale Kirchengemeinden, die finanzierten Projekte seien aber immer rein pastoraler oder humanitärer Natur. Während Sprecher der Diözese „kategorisch“ dementieren, will sich ihr Vorsitzender zu der „bösartigen“ Beschuldigung überhaupt erst äußern, wenn eine juristische Anzeige vorliegt.

Selbst hochstehende Kirchenfunktionäre, ansonsten dem Bischof von San Cristóbal nicht sonderlich wohlgesonnen, verlangen „Beweise“, und prominente Theologen wie Miguel Concha halten die Unterstellung schlicht für eine „Verleumdung“. Während Vertreter aller Oppositionsparteien die beiden PRI-Parlamentarier der „Unverantwortlichkeit“ und des „Verfolgungswahnes“ zeihen, versichert der Staatssekretär des Innenministeriums, José Narro Robles, auf Nachfrage, daß der Regierung „keinerlei Hinweise auf eine ausländische Finanzierung der EZLN vorliegen“.

Subcommandante Marcos „zu Tränen gerührt“

Und schließlich äußern sich auch die vermeintlichen Nutznießer des subversiven Auslandskapitals: „Zu Tränen gerührt“ gewesen sei Subcommandante Marcos über die Behauptung: „Vielleicht hat jemand die Güte, die Herren davon in Kenntnis zu setzen, daß, wenn wir aus dem Ausland finanziert würden, wir es wohl wären, die den Friedensbeauftragten bestimmen. Die Herren Ramón Mota und Cuauhtémoc Sanchez (Namen der Abgeordneten, d. Red.) wären im Gefängnis, und ihnen würde der Prozeß gemacht wegen Betrug und Veruntreuung von Geldern. Der Dialog von San Cristóbal hätte auf dem Ajusco (Hügel in der Hauptstadt, A.H.) stattgefunden, und wir wären jetzt dabei, zu diskutieren, ob wir die PRI als „im Entstehen begriffene politische Kraft“ anerkennen sollen“.

Dennoch fühlen sich Mota und Sánchez bislang weder bemüßigt, etwaige Beweise für ihre doppelte Anschuldigung vorzulegen noch dieselbe zurücknehmen. Statt dessen berufen sie sich auf parlamentarische Meinungsfreiheit und gehen in die Offensive: Vom Präsidenten verlangen sie nun eine Untersuchung über die Finanzierungsquellen der EZLN „in USA und in Europa“ sowie über „die Rolle“ des Bischofs bei dem Waffenerwerb der Guerilla.