Nordlichter unterliegen Regenbogen

■ Zivilgericht untersagt NDR die Ausstrahlung von Anti-Greenpeace-Film Von Kai von Appen

Mit drei einstweiligen Verfügungen hat das Hamburger Landgericht dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) die Ausstrahlung des Films „Greenpeace – das Ende einer Legende?“ verboten, der am vorletzten Sonntag in Programmabänderung in der Sendung „N3 Streitfall: Greenpeace“ ausgestrahlt werden sollte. Grund: Der Film enthalte Copyright-Verletzungen, Verfälschungen und Verdrehung von Tatsachen. „Das Beste im Norden“ sieht's anders. NDR-Sprecher Ernst Günter Tange: „Wir prüfen gerade, ob wir gegen die einstweiligen Verfügungen Rechtsmittel einlegen werden.“

Der Film gibt vor, den Lebensweg des US-Greenpeace-Gründers und Ehrenvorsitzenden David McTaggart kritisch aufzuarbeiten. Doch der Streifen entpuppt sich schnell als ein Zusammenschnitt, der Greenpeace in ein übles Licht rückt. So werden Interview-Antworten ganz anderen Fragen zugeordnet, Tatsachen verdreht und Fakten verfälscht. Greenpeace-Sprecherin Claudia Sieg: „Der Film ist eine Aneinanderreihung von Falschheiten und Verleumdungen.“

Ein Beispiel: Obwohl die Filmemacher mit McTaggart offiziell einen Interviewtermin vereinbart hatten, drangen sie eines Tages mit laufender Kamera unangemeldet in sein Privathaus ein, worauf der Old-Greenpeacer natürlich überrascht reagierte. Im Film wird es dann so dargestellt: Man habe McTaggart, der untergetaucht sei, auf der ganzen Welt gesucht – es werden Bilder von London, Moskau, New York etc. eingeblendet. Schnitt. Nun werden die Aufzeichnungen aus dem MacTaggart-Domzil gezeigt – McTaggart ist aufgespürt, reagiert überrascht auf seine Enttarnung, als das Filmteam in seinem Haus steht.

Oder: Mit Krimimusik untermalt führt der Film in die Katakomben eines Banktresors. Hier soll Greenpeace angeblich an geheimem Ort Millionen horten. Dann wird die Antwort eines Mannes eingespielt, der von Greenpeace bestochen worden sein soll. „Wenn ich dringend Geld brauchte, konnte ich mir überall schnell Geld abholen.“ Der Interviewte hatte dies zwar gesagt, doch bezog sich die Antwort auf eine Frage, die mit der Umweltschutzorganisation überhaupt nichts zu tun hatte.

Als Kronzeuge tritt immer wieder ein Mann auf, der den Green–peacern „Umweltschutz-Terrorismus“ vorwirft, dessen Identität dem Zuschauer allerdings vorenthalten wird. Aus gutem Grund: Es handelt sich um Ron Arnold, einen der Führer der Anti-Umweltbewegung in den USA und Mitglied einer Frontorganisation der Moon-Sekte.

Greenpeace befürchtet, daß der Film den Beginn einer internationalen Diffamierungskampagne einläuten soll. Denn Berater war der isländische Filmemacher Magnus Gudmundsson, der seit Jahren Greenpace bekämpft und laut Greenpace-Recherchen intensive Kontakte zur Walfang- und Fischindustrie sowie zum rechtsradikalen Netzwerk des Amerikaners Lyndon LaRouche pflegt.

In der Bundesrepublik gehört zu diesem LaRouche Netzwerk zum Beispiel die „Bürgerrechtsbewegung Solidarität“ – Vorsitzende ist Lyndons deutsche Ehefrau Helga Zepp-LaRouche, lange Zeit Spitzenkandidatin der „Europäischen Arbeiterpartei“ (EAP). Die EAP sorgte Anfang der achtziger Jahre als vermeintlich linke Gruppe in der Friedensbewegung für Verwirrung. Sie „enttarnte“ Willy Brandt als CIA-Agenten und forderte: „Wählen Sie mich, damit Europa viele Atomkraftwerke erhält“ (Helga Zepp-LaRouche, Europawahlkampf 1984). Der bundesdeutsche Verfassungsschutz bezeichnete die EAP als „wirr“ und „nicht eindeutig zum links- oder rechtsextremistischen Lager“ zuzuordnen. Für den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen hingegen galt sie schon 1983 als „rechtsextremistische Kultgruppe“.

Die Ausstrahlung des Films über MacTaggart – dänischer Titel: „The Man in the Rainbow“ – sorgte in Dänemark und Schweden erwartungsgemäß für viel Wirbel. Auch wenn sich viele Anschuldigungen offensichtlich als falsch erwiesen, erzeugte „Danske TV2“ dennoch Negativistimmung für die Umweltschützer.

Daß der Streifen keinen journalistischen Kriterien entspricht, räumt sogar der NDR ein. Programmdirektor Jürgen Kellermeier: „Dieser Film hat Zeugenaussagen manipuliert und er transportiert die Ideologien rechtsextremer amerikanischen Organisationen, zu deren erklärtem Ziel die Zerstörung der Umweltschutzorganisation Greenpeace gehört.“ Dennoch beharrte der NDR bis zuletzt auf der Ausstrahlung. Ernst Günter Tange: „Der Programmdirektor Spielfilm hatte den Film damals eingekauft und fand ihn sehenswert.“ Einziges Zugeständnis: Greenpeace-Chef Thilo Bode und Pressesprecherin Birgit Radow sollte in einer Studio-Live-Diskussion mit dem dänischen Autor die Vorwürfe entkräften und widerlegen dürfen.

Selbst der Diskussionsrunden-Kompromiß scheiterte letztlich. Grund: Der NDR weigerte sich, vor dem Sendetermin öffentlich anzuerkennen, daß durch das Filmteam Copyright-Rechte verletzt worden seien, weil in den Streifen Original-Greenpeace-Filmmaterial eingespielt worden ist.

Und so zog Greenpeace dann doch vor Gericht, gefolgt von McTaagert und einem hinters Licht geführten Interview-Partner. Die Hartnäckigkeit des NDR läßt bei Greenpeace einen bösen Verdacht aufkommen. Denn in der dänischen Fernsehversion war neben „Danske TV 2“ der NDR als Auftraggeber aufgeführt. Tange zur möglichen Ko-Produktion: „Davon weiß ich nichts.“