Flußfahrt per Computer

■ Design in Bremen (3): Jugend forscht im Design-Labor Bremerhaven

Ja, das sei eben „der deutsche Purismus“: Lieber am guten, alten Reißbrett festklammern, und bloß keine Computer angucken – es könnte ja ein nützliches Zeichenprogramm drin sein. Den Sprung in die neue Technik „haben viele Unternehmen noch nicht geschafft – und die haben es sehr, sehr schwer am Markt“, sagt Helmut Diez, Leiter des Design-Labors Bremerhaven. Das junge Institut will den trägen Firmen auf die Sprünge helfen: Eben ging ein Fortbildungs-Lehrgang im Labor zu Ende, in dem knapp 40 DesignerInnen sich in CAD (“Computer-aided Design“) fit machten; die sollen ihr Wissen jetzt in die betriebliche Praxis tragen. Das Seminar ist allerdings ein Auslauf-Modell: Nach zwei Lehrgängen rüstet das Labor seinen eigenen Betrieb schon wieder um.

Der Umgang mit CAD-Programmen kam den DesignerInnen gerade recht bei einem der umfangreichsten Projekte des Hauses: einer Studie für den „Weserbus“ (s. taz vom 16.7.). Für das schwimmende Nahverkehrsmittel der Zukunft entwarfen die Laboranten ein weitverzweigtes System, von der Hinweistafel bis zum bequemen Sitzmöbel. Mit Hilfe von 3-D-Grafiken konnten die Designer ein Schiffsmodell gestalten, in dem sie praktisch schon mal umhergehen können (wenn auch nur am Bildschirm), um nachzusehen, ob z.B. die ergonomisch designten Schalensitze auch wirklich ins Schiff passen und ob genügend Platz für Fahrräder und Kinderwagen eingeplant ist. Jede kleine Änderung läßt sich dabei relativ leicht ins bestehende Gesamtbild einpassen – und muß nicht mehr komplett neu aus dem Reißbrett gestampft werden. Interesse hat nicht nur der Senat, sondern auch die Industrie angemeldet, so daß die schöne Utopie tatsächlich Wirklichkeit werden könnte.

Doch nicht alles, was im Labor angerührt wird, hat am Ende solch handfeste Substanz. Wer in der vergangenen Woche die selbstorganisierte, kleine Abschlußschau der künftigen SystemberaterInnen gesehen hat, der wurde neben der „Weserbus“-Studie auch mit sprachphilosophischen Studien und virtuellen Traumgebilden konfrontiert. Demnächst sollen die Studierenden durchweg praxisnäher arbeiten. Diez hat ein Modell entworfen, in dem sich künfitg StipendiatInnen „im Sinne einer Spitzenförderung“ in Bremerhaven fortbilden sollen. „In praxisnahen und experimentellen Projekten“ sollen die Cracks unter „vorwettbewerblichen“ Bedingnungen an konkreten Designproblemen und -projekten arbeiten –

Die Lehrgänge haben dabei fast programmatische Bedeutung für das Labor. Die 18monatigen Kurse – Kern des Labor-Auftrags – sollen junge Design-Profis zu „SystemberaterInnen“ machen: Mit frischen Ideen und technischem know-how sollen sie in den Betrieben „Design“ zum Thema machen und sich möglichst früh in den Produktionsprozeß einschalten – also: erstmal bessere Rahmenbedingungen schaffen fürs Design. „Das Schwierige ist nicht, Dinge zu machen, sondern die Bedingungen zu schaffen, unter denen man die Dinge machen kann“ – den Lehrsatz des Plastikers Brancusi hat sich das Labor zum Leitspruch gemacht.

Und die Bedingungen sind – trotz publikumswirksamer Projekte wie dem „Weserbus“ – nicht die besten. Um Puristen unter den Bremerhavener und Bremer Firmen auf den Wert konsequenten Designs hinzubugsieren, um „das Kreativpotential im Management anzuregen“ (Diez), müssen die LaborantInnen derzeit noch ziemliche Kopfstände vollführen. Das Unternehmen wird massiv aus Mitteln der EG und der Bremer Wirtschaftsförderung unterstützt. Immerhin die Hälfte der ersten LehrgangsteilnehmerInnen (Thema: Produktdesign) kam im vergangenen Jahr bei heimischen Firmen und Designbüros unter; einige haben sich selbständig gemacht und beraten nun ihr eigenes System. Aber die TeilnehmerInnen des jüngsten Lehrgangs sind noch sämtlich auf der Suche. Ob die engagierten MitarbeiterInnen der „Weserbus“-Studie bei der endgültigen Produktion mit dabei sind, ist völlig offen.

Das gilt auch für die Frage, wie das künftige Stipendien-Modell bezahlt wird. Für die zweite Aufbau-Phase, ab Anfang nächsten Jahres bis bis 1998, rechnet das Wirtschaftsressort 4,3 Millionen Mark. Das sind zwei Millionen weniger, als das Labor nach Diezens Ansicht bräuchte. Und noch ein weiterer Stolperstein droht dem Unternehmen. Das Ressort will das Labor unter die Trägerschaft der „Design GmbH“, einer neuen Landesgesellschaft, stellen; bisheriger Träger ist das BBI.

Damit hätten die Bremer, namentlich GmbH-Geschäftsführer Klaus Berthold, mehr Einfluß auf den Laborbetrieb. Diez und der Laborvorstand hingegen favorisiert „eine eigenständige privatwirtschaftliche Lösung, die die angestrebten Ziele ohne bürokratische Hemmnisse erreichen läßt.“ Die GmbH ist jedenfalls schon mal da; die Diskussion dauert an. Thomas Wolff