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: Es gilt das gesprochene Wort!

In der Galerie „Zum Weißen Elefant“ gab Heiner Müller zu bedenken: Nicht zufällig hätten die deutschen Anti-Hitler-Terroristen am 20.Juli die Tat von einem Einarmigen (von Stauffenberg) ausführen lassen. Schon gleich nach dem Krieg hatte ein Vertrauter von Dietrich Bonhoeffer zu diesem – laut Richard von Weizsäcker – „absolut entscheidenden Datum unserer Geschichte“ gemeint: „Es war aber vielleicht auch gut, daß das Attentat mißlang.“

Moltke-Witwe hin, Stauffenberg-Sohn her. Im Prenzlauer Berg Museum hatten die beiden in „Vergangenheitsbearbeitung“ seiteneingestiegenen Forscherinnen Regina Scheer und Anette Leo unlängst eine Diskussion zwischen „Kindern des Widerstands“ organisiert. Dem vorausgegangen war dort eine Ausstellung über die Eltern des mir besonders nahestehenden Peter Rambauseck. Seine Mutter, Lotte, war in der illegalen KP aktiv gewesen, sein Vater, Hans Janoscha, starb in Spanien. Peter war 1961 als Medizinstudent mit dem Paß eines Amerikaners nach West-Berlin geflüchtet, wo er dann an der FU Politik studiert hatte. Im Anschluß an seine SDS- Zeit gab er das Periodikum „Die soziale Revolution ist keine Parteisache“ mit heraus. Danach fertigte er immer mal wieder Mosaik-Porträts von Freunden an – in seiner Weddinger Erdgeschoß- Küche, wo er die meiste Zeit jedoch mit Fernsehen und Lesen verbringt.

Außer „Ramba“ sprach im ehemaligen Traditionskabinett noch der Historiker Hans Coppi, dessen Vater und Mutter hingerichtet wurden, über seine Eltern und den proletarischen antifaschistischen Widerstand. Ebenso die Tochter von Ernst Knaack, der im illegalen Apparat der KP tätig war und ebenfalls hingerichtet wurde.

Dann war da noch die Tochter des Rotfrontkämpfers Johannes Broll, dem in Vorbereitung des Mordprozesses „Bülowplatz“ ein Geständnis abgepreßt worden war, das jetzt im Mielke-Prozeß eine Rolle spielte. In diesem Prozeß war Renate Broll, heute Lehrerin in Bochum, als Zeugin der Verteidigung aufgetreten.

Aus dem Block des bürgerlich- adligen Widerstands war die Lehrerin Sabine Reichwein eingeladen worden. Die Tochter des Reformpädagogen Adolf Reichwein, der zu den „Verschwörern“ des Kreisauer Kreises gehörte, erzählte unter anderem, daß die jährlich wiederkehrenden Gedenkfeiern zum 20. Juli vom Widerstands-Nachwuchs durchaus auch als identitätsstiftender Heiratsmarkt genutzt wurden. Der Historiker Detlef Graf Schwerin zu Schwanenfeld fand das „menschlich und in Ordnung“. Der SPD-Politiker, schon seit langem mit der Veranstalterin Leo befreundet, ist seit einiger Zeit Polizeipräsident von Potsdam. Anette Leos Vater hatte einst in der Résistance mitgekämpft.

Vom Podium wurde aus sehr unterschiedlichen Gegenwartserfahrungen heraus erzählt. Und darum ging es. Weniger um Fortwirkendes, wie zum Beispiel die „Bärenschenke“ in der Friedrichstraße, wo Hans und Hilde Coppi einst „Kontakte zu ausländischen Zwangsarbeitern knüpften“, wie es dort auf einem Pappschild heißt. Heute ist die Kneipe schon wieder Treffpunkt ausländischer Arbeiter, diesmal von den nahen Großbaustellen. Die Veranstalterin, Regina Scheer, merkte später noch an, daß im Publikum einige ältere Leute saßen, die noch am antifaschistischen Kampf teilgenommen hatten: „Ich sah z.B. eine deutsche Kommunistin, Mitarbeiterin von Beppo Römer, die vor ihrer Verhaftung in die SU floh, wo sie bis 1953 im Lager saß, und dann eine Berliner Architektentochter, die die Frau des ,Königs der Vagabunden‘, Gregor Gog, gewesen war, der leider aus dem KZ auch in die SU floh, wo er krepierte und ihre beiden gemeinsamen Kinder verhungerten, und wo sie noch neun Jahre nach Gregors Tod bleiben mußte.“ Regina Scheer fand Sabine Reichweins Bemerkung über den Widerstand als Heiratsmarkt im übrigen nicht „zentral“. Ich schon. Vielleicht, weil ich mich mal auf einer Massendemonstration, unter der Losung „Wir sind der harte Kern der Baader-Meinhof-Bande“, in eine Psychologin namens Christa verliebt hatte? Helmut Höge

Wird fortgesetzt