piwik no script img

Menschen im All Von Andrea Böhm

Heute vor 25 Jahren saßen wir alle vor dem Fernseher – ausgenommen all jene, die zu diesem Zeitpunkt noch flüssig waren oder noch nicht über ausreichend kognitive Fähigkeiten verfügten und satt in der Wiege schlummerten. Heute vor 25 Jahren stapfte ein höchst unvorteilhaft gekleideter Amerikaner namens Neil Armstrong eine kleine Leiter aus einem ulkigen Vehikel herunter und erklärte uns, die wir vor dem Fernseher saßen, daß dies ein kleiner Schritt für einen Mann, aber „ein gigantischer Schritt für die Menschheit“ sei. Der Mann hatte gerade seinen Fuß auf den Mond gesetzt.

Ich war damals acht Jahre alt und fest davon überzeugt, daß Menschen im allgemeinen und Amerikaner im besonderen eine ganz tolle Spezies sind, wenn sie solche Kunststücke vollbringen. Diese Überzeugung kam in den folgenden Jahrzehnten zwar ziemlich ins Wanken, doch damals schien es nur eine Frage der Zeit, bis irgendein Homo NASA schöne Grüße vom Mars schicken würde. Doch außer einem Haufen Staub, Kratern und Hügeln schien es auf dem Mond nichts zu geben. Einzig um den Blick auf die Erde waren die Kosmonauten zu beneiden. Glaubt man den Demoskopen und den USA, dann haben die Amerikaner kaum noch Ambitionen, neue Welten im Weltall zu erobern. Captain Kirk, Spock und die zweite „Enterprise“-Generation haben ohnehin schon alles gesehen. 59 Prozent der US-Bürger halten es laut einer Umfrage der Zeitschrift Newsweek für „nicht sehr wichtig“ bis „völlig irrelevant“, daß ein Amerikaner als erster auf den Mars hopsen muß.

Möglicherweise nimmt auch die Zahl der Freiwilligen für solche Unternehmungen ab, seitdem man festgestellt hat, daß außerirdische Spaziergänge kräftig aufs Gemüt schlagen können. Buzz Aldrin, nach Armstrong zweiter Mann auf dem Mond, hat nach der Landung auf demselben einen Nervenzusammenbruch erlitten. Heute kämpft er mit seiner Firma „Starcraft Enterprise“ dafür, doch noch das Weltall zu besiedeln. Bei der NASA wird er inzwischen als „bekloppter Professor“ tituliert. James Irwin, Besatzungsmitglied der „Apollo 15“, wurde auf dem Mond voll von der Kraft des lieben Gottes erwischt. Als er wieder Erdboden unter den Füßen hatte, gründete er eine evangelikalische Sekte und begann in der Türkei, nach den Spuren der Arche Noah zu suchen. Charles Duke, der mit „Apollo 16“ gen Luna geschossen wurde, verwandelte sich ein paar Jahre nach seiner Mondlandung in einen christlichen Fundamentalisten und versucht seitdem, Mitmenschen auf der ganzen Welt zu bekehren. Alan Bean („Apollo 12“) malt seit seinem Ausflug Mondlandschaften mit oder ohne amerikanische Astronauten. Dann wäre da noch Harrison Schmitt von „Apollo 17“ zu nennen, der immerhin für sechs Jahre in den US-Senat einzog, bevor ihm sein Gegenkandidat 1982 die Wiederwahl knapp mit dem Slogan vermasselte: „Was hat der Mann je auf Erden zustande gebracht...“

25 Jahre nach der ersten Mondlandung sitzen wir wieder vor der Glotze – und warten auf die Nachricht, daß die Reste eines Kometen auf den Planeten Jupiter aufprallen. Sollen sie mal froh sein bei der NASA, daß man sich bei der Besiedelung des Weltalls Zeit gelassen hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen