■ Linsen Soufflé
: Spiegelfechtereien und seltsame Nachreden

Meinen blutjungen Studentinnen und Studenten pflege ich zu sagen: Seid skeptisch! Mißtraut euren Augen und glaubt grundsätzlich nichts von dem, was ihr im Kino seht. Es ist Aufgabe der Special-Effects-Abteilungen, die wildesten Phantasien der Drehbuchautoren mit Hilfe von computergestützten Taschenspielertricks auf die Leinwand zu zaubern. Kürzlich noch höhnte ich im Kreise meiner Bezugsgruppe, daß es wohl kaum Richard Gere selbst gewesen sei, der da in „Mr. Jones“ über den schmalen First eines mehrstöckigen Hauses tänzelte, und meine bis ins Mark cinephilen Gegenüber stimmten mir ohne Bedenken zu. Aber da dreht der Kintopp uns Klugscheißern schon wieder eine Nase – Gere hat es doch getan. So daß Cindy Crawford bange Minuten durchlitten haben dürfte...

Überhaupt scheint es Hollywoods Hochmögenden zur Gewohnheit zu werden, ihre Stunts selbst auszuführen, grad wie es Clint Eastwood oder Tausendsassa Jean-Paul Belmondo ohne Wimpernzucken in jungen Jahren zu tun pflegten. In „Speed“ zeigt Keanu Reeves halsbrecherische Kunststückchen. Schwarzenegger taucht in „True Lives“ unter einer Feuersbrunst hindurch, und die vier „Bad Girls“ Madeleine Stowe, Andie Mac Dowell, Mary Stuart Masterson und Drew Barrymore trugen beim Reiten und Männervermöbeln recht reale Blessuren davon.

Mitunter gerät es hingegen zur Drôlerie, wenn ein Täuschungsmanöver mal gehörig mißlingt. In James Wahles „Frankenstein“ beispielsweise flattert sichtlich der Horizont, als im Verlauf der Monsterhatz einer der Jagdhunde gegen den Prospekt rennt, und in „Der unsichtbare Dritte“ hält sich ein Statist die Ohren zu, noch bevor Eva Marie Saint ihre Waffe abfeuert. Ganz offensichtlich baumelt in „Last Action Hero“ nicht Schwarzenegger an der herabstürzenden Fahrstuhlkabine, und in „Beverly Hills Cop 3“ hüpft erkennbar ein Stuntman statt Eddie Murphy von Gondel zu Gondel des Riesenrads.

Apropos Eddie Murphy: Als junger Mensch riskierte er zeitweise eine dicke Lippe und bekommt dafür noch immer eine aufs Maul – bildlich gesprochen. Neulich lief „Beverly Hills Cop 3“ in den US-Kinos an und plazierte sich auf Anhieb auf Rang 3 der Kinohitliste, was aber den Korrespondenten der Programmzeitschrift Gong, Claus Preute, nicht davon abhielt, von einem „peinlichen Flop“ zu fabulieren. Und die britische Times rechnete vor, „Beverly Hills Cop 3“ sei nur von halb soviel Zuschauern gesehen worden wie der Blockbuster „The Flintstones“. Man kann's aber auch so sehen: Laut Variety spielte „Beverly Hills Cop 3“ am Startwochenende ebensoviel ein wie „Beverly Hills Cop 1“. Mit schon auffälliger Beflissenheit und Hartnäckigkeit werden Murphy seit geraumer Zeit kommerzielle Fehlschläge attestiert. John Landis macht demgegenüber in der Times sehr richtig darauf aufmerksam, daß, mit einer Ausnahme, bislang jeder von Murphys Filmen mehr als 100 Mio. Dollar einbrachte. Was verbirgt sich hinter dieser eigenartigen Kampagne. Etwa ... die Angst vorm schwarzen Mann? Harald Keller

„Ein Film ist wie ein Spiegel, wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Heiliger herausschauen.“ (Lichtenberg & Partner)