■ Das Portrait
: Tony Blair

Die britische Labour Party wählt heute ihren neuen Chef. Daß er Tony Blair heißen wird, steht schon lange fest. „Bambi“, wie der 41jährige von Freund und Feind spöttisch genannt wird, ist ein Garant für die kontinuierliche Entwicklung der Labour Party: Es mangelt ihm noch mehr an Rhetorik und Ausstrahlung als seinen beiden Vorgängern Neil Kinnock und John Smith, und er steht auch weiter rechts.

Wie Smith, der im Mai einem Herzinfarkt erlag, stammt Blair aus Schottland. Seine politische Entwicklung entspricht – im Gegensatz zur gesamten Parteiführung – jedoch ganz und gar nicht der Labour-Tradition. Blair kommt aus einer wohlhabenden Familie, sein Vater ist knallharter Tory. Sohn Tony besuchte das St. John's College in Oxford, wo er Jura studierte, aber an Politik noch kein Interesse hatte. Seine politische Karriere begann erst, als er Smith begegnete, der ihn 1983 unter seine Fittiche nahm.

Danach ging es sehr schnell: Blair zog als Abgeordneter des sicheren Labour-Wahlkreises Sedgefield ins Unterhaus ein, und seit 1988 sitzt er im Labour- Schattenkabinett – zuletzt als innenpolitischer Sprecher. Er lacht über Verdächtigungen aus den eigenen Reihen, er sei ein verkappter Thatcherist. Er ist aber durchaus bereit, verschiedene Programmpunkte des „linken“ Tory-Flügels zu übernehmen und sie in seinen vom christlichen Glauben geprägten „Sozialismus“ einzubauen. Viele Fragen bleiben offen, Neuer Labour-Chef?Foto: Reuter

wenn Blair die Eckpfeiler seiner Politik benennt. Ganz oben auf seiner Liste stehen „Law and order“. „Ich werde hart gegen das Verbrechen durchgreifen“, sagt Blair, „und ich werde hart gegen die Gründe dafür durchgreifen.“

Seine inhaltsleeren Slogans kommen offenbar an, rechte Kommentatoren haben ihr Herz für „Bambi“ entdeckt. Noel Malcolm vom Daily Telegraph schrieb, Blair habe den Vorteil, ein ausgesprochen netter Mensch zu sein. Die rechte Presse ist sich in der instinktiven Überzeugung einig, daß Blair die britische Nation vor dem Sozialismus retten werde. Die Financial Times schrieb gar in einem Kommentar: „Wir müssen langsam in Erwägung ziehen, Labour zu wählen, wenn Blair als Smith-Nachfolger gewählt wird.“ Die Labour- Partei ist davon überzeugt, mit dem volksnahen Blair den künftigen Premierminister gefunden zu haben – die heutige Wahl wird deshalb den Charakter einer Krönung haben. Ralf Sotscheck