Per Auto ins Treibhaus

Streit um klimagerechte Verkehrspolitik: Koalition und SPD in der Klima-Enquetekommission uneins  ■ Von Lorenz Redicker

Berlin (taz) – „Die Enquetekommission Schutz der Erdatmosphäre bekennt sich zur Mobilität im Verkehr.“ Mit diesen Worten beginnt der Verkehrsbericht der Klima-Enquetekommission des Bundestages – und darüber kam es gestern zum heftigen Streit zwischen Koalition und SPD. Die Klimapolitiker konnten sich entgegen der sonstigen Tradition nicht auf einen gemeinsamen Zwischenbericht „Mobilität und Klima – Wege zu einer klimaverträglichen Verkehrspolitik“ einigen. Während das Zehnpunkteprogramm von Union und FDP ein „klares Bekenntnis zum Auto“ enthält (CDU-Politiker Klaus Harries), verlangen die SPD und die von ihr berufenen Wissenschaftler in einem Minderheitenvotum ein Umsteuern in der Verkehrspolitik: Verkehrsvermeidung und Verlagerung des Verkehrs.

Die SPD-Parlamentarier fordern vor allem Einschränkungen beim Flugverkehr „wegen seiner extremen Klimaschädlichkeit“: ein Tempolimit für Flugzeuge, geringere Flughöhen, eine Steuer für Flugkraftstoff, den Ausbau des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes als Alternative für Kurzstreckenflüge sowie eine Beschränkung der Zahl großer Flughäfen. Weiterhin sieht das Konzept ein allgemeines Tempolimit (100 auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 in Ortschaften), eine Höchstgeschwindigkeit für Lkws von 80 Stundenkilometern und die jährliche Erhöhung der Benzinpreise um sieben Prozent bis 2005 auf dann etwa drei Mark vor. Schließlich fordern die Genossen eine Senkung des Pkw-Flottenverbrauches auf drei bis vier Liter, eine spürbare Verteuerung des Straßengüterverkehrs und sofortige Kapazitätserweiterungen bei der Deutschen Bahn.

Mit ihren Vorstellungen gehen die Sozialdemokraten in der Enquetekommission weit über die bisherige Verkehrspolitik der eigenen Partei hinaus. Im SPD-Wahlprogramm wird auf die generelle Einführung eines Tempolimits verzichtet.

Viel origineller und zum Teil näher am SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping liegt dagegen das Koalitionsvotum: Ausbau der Straßen, kein Tempolimit und (bis 1997) keine höhere Mineralölsteuer – das soll den Ausstoß von Kohlendioxid verringern. Die milliardenschwere elektronische Aufrüstung der Straßen (Telematik) mit Geschwindigkeits-, Wege- und Umsteigeempfehlungen soll Staus verhindern beziehungsweise bei Verkehrskollaps die Autofahrer in Busse und Bahnen locken. Auch einer „zügigen Umsetzung der Bahnreform“ und des Bundesverkehrswegeplanes attestieren die Koalitionspolitiker emissionsmindernde Wirkung. Am Votum hat auch ein Vertreter von Mercedes- Benz mitgewirkt. Erst wenn sich erwiesen hat, daß mit dem vorgesehen Programm keine Emissionsminderungen erreicht werden können, müßten „unverzüglich ordnungsrechtliche Maßnahmen“ ergriffen werden, erläuterte der Kommissionsvorsitzende Klaus Lippold (CDU) das Programm. Er erwartet indes eine CO2-Minderung um 4 bis 30 Prozent.

Die SPD-Politikerin Monika Ganseforth kritisierte das Koalitionskonzept scharf. Es sei nicht finanzierbar und verfehle das Klimaschutzziel bei weitem. Die Bundesregierung will den energiebedingten Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent unter den Wert von 1987 drücken. Bis 2020 soll die CO2-Emission um 50 Prozent, bis 2050 um 80 Prozent reduziert werden.

Entsetzt über den Kommissionszwischenbericht zeigte sich auch Burkhard Reinartz, Pressesprecher des umweltorientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD): „Ich sehe nichts, was kurzfristig wirken würde.“ Es mangele der Koalition offenbar am Willen, „politisch verantwortungsvoll zu handeln“. Mit Liberalisierung und Telematik sei eine Verkehrswende nicht zu erreichen. Das SPD-Konzept lobte Reinartz ausdrücklich. Nur: „Es weicht leider erheblich von der SPD-Tagespolitik ab.“