Verwaltung nach Gutsherrenart

■ Die Mieter der Augustenpassage haben Zoff mit ihrem neuen Prinzen Von Kai von Appen

Adel verpflichtet - aber wozu? Für die MieterInnen der Terrassenhäuser in der Augustenpassage in St. Pauli ist das keine Frage. Die Erfüllung der mietvertraglichen Pflichten, dafür Verzicht auf schikanöse Eskapaden wünschen sie sich von ihrem prinzlichen Besitzer. Andernfalls wollen sie ihren adligen Hausherrn in einem Pilotverfahren verklagen.

Es hat alles zwei Seiten: Einerseits liegt die historische Passage aus dem vorigen Jahrhundert mitten im Zentrum – und dennoch in idyllischer und ruhiger Lage. Andererseits tauchen an den alten schlichten Häusern natürlich immer wieder Mängel auf. Trotzdem scheinen sich die Gebäude für Besitzer zu rechnen. In den vergangenen Jahren wurden die Häuser mindestens siebenmal verkauft.

Neuer Eigentümer ist ein Kieler Geschäftsmann mit dem wohlklingenden aristokratischen Namen Prinz Diethar zu Hohenlohe-Oehringen. Er kaufte im Herbst vorigen Jahres die 95 Wohnungen, die rund 250 MieterInnen beherbergen. „Seither haben wir keinen Hausmeister mehr, obwohl wir für den bezahlen“, beklagt sich eine Mieterin. Auftretende Mängel würden nicht mehr – oder erst nach geraumer Zeit – behoben. Eine Nachbarin: „Ich mußte sechs Faxe wegen unserer kaputten Tür und Klingel schicken.“

Bereits seit Monaten könne die Waschküche nicht mehr benutzt werden. „Die Münzen dafür gab es immer beim Hausmeister“, erinnert sich ein Bewohner. „Als die Maschinen kaputt gingen, wurde die Waschküche ganz geschlossen.“

Endgültig zog der Prinz den Zorn der Mieter jedoch in diesen Wochen auf sich. Ohne Vorwarnung habe er das Schloß für den Schlagbaum, der den Pkw-Verkehr aus dem engen Gäßchen verbannen sollte, ausgetauscht. Nur die Feuerwehr bekam einen Duplikat-Schlüssel. „Der Stellplatz für mein Fahrzeug ist Gegenstand meines Mietvertrages“, beschwert sich eine Bewohnerin. Vor wenigen Tagen malten Arbeiter weiße Felder auf das historische Kopfsteinpflaster. Eine Mieterin empört: „Für 500 Mark Courtage, 90 Mark Pfand für den Schlüssel und 90 Mark monatliche Gebühr sollen wir jetzt einen Stellplatz bei ihm mieten.“

Die rege prinzliche Fantasie war schier unerschöpflich. Ein Mieter erzählt: „Plötzlich fuhr ein Lkw vor. Alle Fahrräder, die nicht im Fahrradständer standen, wurden von Arbeitern geknackt und auf den Lkw geladen. Keiner weiß, wo die gelandet sind. Und da waren echt teure Moutainbikes dabei.“ In der vergangenen Woche sei eine Malerkolonne aufmarschiert, die die Erdgeschoß-Fassade in einem gräßlichen Quittengelb anpinseln wollte. Aufgebrachten Anrufern sei von Mitarbeitern der Grundstücksverwaltung mitgeteilt worden, das sei „Sonnengelb, die Lieblingsfarbe von Herrn Hohenlohe“. Durch Parolen: „Diese Farbe ist Körperverletzung“ stoppten Anwohner die Malarbeiten.

Mieteranwalt Ernst Medecke hat Prinz Diethar zu Hohenlohe-Oehringen nunmehr eine Frist gesetzt, die Parkplätze den Mietern zurückzugeben, andernfalls werde Klage auf „Mietminderung“ erhoben. Medecke: „Er hat nicht das Recht, sich hier nach Gutsherrenart aufzuführen.“ Eine Stellungnahme zu den Vorwürfen war gestern vom Prinzen nicht zu bekommen. Auch seine Anwälte wollten sich „ohne Rücksprache mit dem Mandanten“ nicht äußern.

Beim Kieler Mieterverein ist Hohenlohe-Oehringen kein Unbekannter. „Ein alter guter Freund“, scherzt der dortige Mieterjurist Jochen Kiersch. Augustenpassage? „Das trägt eindeutig seine Handschrift.“ Kiersch ironisch: „Die Zahl seiner Wohnungen steht nicht im Verhältnis zu seinen Verfahren.“ Dennoch gebe es für die MieterInnen keinen Grund zur Panik. Der Prinz sei zwar ein „Mann des Handelns“ im Hau-Ruck-Verfahren, jedoch im Gerichtssaal oft „zugänglich“. Kiersch: „Wenn die Mieter alle im Mieterverein sind, werden sie nicht allzuviel Probleme mit ihm haben.“