■ Urdrüs wahre Kolumne
: So denkt das Volk, Herr Zinsfuß

An einem Eisstand in der Bahnhofstraße drückt sich ein abgerissenes Herrchen aus der Schicht der Nichtseßhaften in der Warteschlange, ordert schließlich drei Kugeln Vanille und weist erst dann darauf hin, daß er a) gerade kein Geld mit sich führe, b) erheblich unter der Hitze leide und c) deshalb sehr gern ein Eis hätte. Die Verkäuferin: „In Ordnung – aber nicht daßde jetzt jeden Tag kommst!“ Und unter den zahlenden Eiskunden fanden sich immerhin spontan noch zwei, die ihre moralische Integrität durch spontane, wenn auch kleine Bargeldspenden zum Ausdruck brachten. Der eine davon erläuerte sein Handeln auch noch mit den Worten „Ich heiße ja nicht Friederich Rebers!“ Merkst Du nun, Herr des Zinsfußes, was sich da tut im Volk?

Ebenfalls zum Nachdenken veranlassen sollte den Sparkassendirektor, daß er für seine Saubermann-Tiraden ausgerechnet von einem Kerl öffentliche Zustimmung erhielt, der als beamtete Bulldogge schon vor Jahr und Tag vom Dienst suspendiert wurde: Der als Schläger vom Sielwall berühmt-berüchtigte Ulrich Panzer, Fähnleinführer des polizeilichen Sauhaufens SEK, rülpste vernehmlich per Leserbrief im Weserkurier sein „Bravo, Herr Rebers“. Und schließt sein wirrsinniges Law & Order-Gewäsch aus dem ideologischen Schließmuskel mit der Frage: „Oder hat mittlerweile keiner mehr die Traute, seine Meinung zu sagen, nur weil er von einigen Spezialdemokraten in die faschistoide Ecke gedrängt werden könnte?“ Wir aber wissen: Ein Panzer läßt sich nicht dahin drängen, wo er mit harter Faust und dreister Schnauze seinen Platz am Stammtisch hat.

Wer sein voyeuristisches Vergnügen daran findet, junge Menschen voller Hoffnungen und Engagement dabei zu beobachten, wie sie von den Realitäten überrollt schließlich tränenschwer am Boden liegen – wer also Soap Opera live erleben möchte, dem sei von Herzen zugeraten, noch heute unter Tel. 33 655 22 seine Gastfreundschaft anzubieten für jene fünf jungen OpernsängerInnen aus der großen weiten Welt, die ab Anfang August bei der Opera Piccola des famosen Petrus von Herberstein ein neues Werk einstudieren. Daß der von allen Musen dieser Welt plattgeküßte Österreicher für die eventuell ja tatsächlich einmal stattfindende Premiere dieser Inszenierung das World Trade Center ausgeguckt hat, wirft auf beide Seiten ein bezeichnendes Lichtlein. Wird schon schiefgehn!

Will mensch mal mitten in der Woche gen Vegesack fahren, um dort zwischen Walkiefer und Fähre, Fischbrötchen und Flaschenbier STADT AM FLUSS zu erleben. Sucht am Waller Bahnhof nach der Abfahrttafel der Züge und findet das einzige gelbe Infoplakat überklebt. Von was denn wohl, na was denn? Vom Euro-Wahlplakat der Grünen/Bündnis 90. Green please... So nicht, ihr lieben Arschgesichter! Und wahrscheinlich sind es nebenbei auch noch ADAC-Mitglieder...

Werktätige der Faust und der Stirn, studierende und lernende Jugend, Darbende und Einsame, Verdammte dieser Erde – heraus zum solidarischen Dienstag! Am 26. Juli um 8.30 Uhr wird im Sitzungssaal 551 des Bremer Amtsgerichts auch in eurem Namen Recht gesprochen über den öko-renitenten Deichhauptmann Gerold Janssen. Verhandelt wird das Strafmaß für seine mensch- und igelfreundlichen Straßenmalereien rund um das Siemens-Hochhaus, die von qualifizierten Kunstkritikern längst als Kunst im öffentlichen Raum gewürdigt wurden. Da Gerold schon im Vorfeld ankündigte, die zu erwartende Geldstrafe (oder Geldbuße? Irgendwie schietegal...) in der City zu erbetteln, darf man auf die weitere Entwicklung gespannt sein. Gerechte Sache siegt, na klar doch!

Allen „alten 68ern“ aus dem praktizierenden Lehrerstand, die auch heuer wieder die Seelen unschuldiger Kinder mit jenen Noten und Bewertungen beschwerten, die sie anno dunnemals selbst noch abgeschafft sehen wollten, wünschen wir im Wohnmobil gen Slowenien, Bretagne oder Toscana viele schweißtreibende Stunden zur inneren Reinigung im Stau. Und wenn dann noch ein Autodieb zuschlägt, wollen wir unsere Freude nicht nur klammheimlich zeigen... Glückliche Reise wünscht in diesem Sinne

Ulrich Reineking-Drügemöller