Auch Spielberg hat klein angefangen

■ Nach zwei Jahren Sendezeit im „Offenen Kanal“ beträgt die Frauenquote immernoch nur 30 Prozent

„Spielberg hat auch mal klein angefangen!“, die Stimme klingt markig und rauh, dazu Bilder von tosender Gischt, schwerem Bohrgestänge und zupackenden Männerfäusten – Alltag auf einer Bohrinsel in der Nordsee. Harry Stiller, einer der Gewinner des Trailerwettbewerbs 1994, hat nicht etwa einen weiteren Spot für die Marlboro-Tour gedreht, sondern einen Werbefilm für den „Offenen Kanal“. Nach fast zwei Jahren „auf Sendung“, konnte der „Offene Kanal Bremen“ diesen mit insgesamt 7.500 Mark großzügig dotierten Preis an fünf Gewinner verteilen. Die Ergebnisse des Wettbewerbs werden gleich wieder sinnvoll eingesetzt, zur Werbung für neue Nutzer des Senders.

Dennoch stellt sich anläßlich der Feierstunde die Frage, ob es der Bremischen Medienanstalt gelungen ist, aus den Fehlern der älteren „Offenen Kanäle“ zu lernen. Hat man tatsächlich das hochgesteckte Ziel erreicht, den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen unter einem Dach einen Weg in die Öffentlichkeit zu ebnen? Harry Stiller kommentiert seinen Beitrag aus der rauhen Männerwelt der Nordsee mit einer klitzekleinen Prise Selbstironie: „Frauen kommen im Film nicht vor, weil das ja nicht ins Image der Bohrinsel passen würde.“

Damit deutet er an, was der andere 1. Preisträger auspricht. Jens Werner, von der Medienwerkstatt Schlachthof, der mit der überaus vergnüglichen Beteiligung von Gabi Grete-Kellerhoff eine Hausfrauen-Persiflage auf die Fernsehansagerin eingereicht hat, thematisiert eine der zentralen Auffälligkeiten in der Tagesarbeit des „Offenen Kanals“, die geschlechtsspezifische NutzerInnenstruktur. Im Klartext heißt das: zu wenige Frauen nutzen das Abgebot.

Die Statistik bestätigt Erfahrung und Vorurteil: der Durchschnitts-Nutzer des Offenen Kanal ist 20 bis 30 Jahre alt, über die Maßen gebildet und vor allem: männlich. Typ Student mit Filmambitionen in Richtung Hollywood. Um alle anderen Nutzer muß gezielt geworben werden. Besonders der Frauenanteil unter den NutzerInnen liegt mit 29,5 Prozent weit unter dem Wünschenswerten.

Und auch dann: „Frauen lassen sich ganz schnell was aus der Hand nehmen, wenn Männer dabei sind.“ Petra Heuchert, 30, gehört zu den Initiatorinnen des ersten Frauen- und Mädchenmagazins, das am Dienstag um 20 Uhr unter dem Namen „Femme Kanal“ zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. „Lustgefühl und Nervenkitzel“ trugen die 60 minütige Live-Sendung. Jetzt schälen sich erste Erfahrungen heraus, wird deutlich, wie Frauen ihre Technikscheu überwinden können und Mut bekommen, auch Verantwortung in der Sendung zu übernehmen. Das Rezept ist nicht neu, aber im Offenen Kanal wieder bewährt: reine Frauengruppen. Und das beim Lernen und im Ernstfall, vor und hinter der Kamera.

Petra Heuchert, die als Pädagogin ihr Praktikum beim Offenen Kanal macht, hat die Ideen des Frauenbeitrags monatelang gepflegt. Entstanden war sie am 8. März, als beim Frauenstreik relativ spontan eine Livesendung beim Offenen Kanal ausgestrahlt wurde. In solchen Situationen scheint das Prinzip „freier gleicher und unzensierter Zugang“ seine Stärken zu beweisen.

Am 25. November '92, als der Streik bei Klöckner seit Oktober lief, kamen die Kumpels ins Studio und wollten irgenwie an die Öffentlichkeit, vom Arbeitskampf berichten und mitteilen, wie der Stand auf der Hütte ist. Klar, das keiner von ihnen das Fernsehhandwerk beherrschte. Im Studio lief gerade die Rosa Nordschau, das schwulen Magazin des Rat und Tatzentrums. Drei Stunden später, um 21 Uhr waren die Streikenden bei Klöckner auf Sendung, die Technik hatten ihnen die Leute von der Rosa Nordschau abgenommen.

Natürlich wissen Uwe Parpart und Dirk Schwampe vom Offenen Kanal, daß solch ein Miteinander von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen nicht zu organisieren ist. Aber wenn es gelingt, dann sind es die Highlights einer offenen übergreifenden Medienarbeit. Konsequent dann auch, daß einer wie der 47jährige Sicherheitsfachmann Harry Stiller, dessen Arbeitskollegen ihre Freizeit wahrscheinlich eher vor der Glotze als hinter der Kamera verbringen, und der kaum zur Bremer Szene zu rechnen ist, für den Offenen Kanal Werbung. Schließlich hat jeder seinen eigenen Traum, ist sein eigener Spielberg und darf klein anfangen.

Susanne Raubold