Durchs Dröhnland
: Bedrohlich wie ein Pfefferminzbonbon

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Sollte man da nicht mißtrauisch werden, wenn sich jemand als Nachnamen Legende aussucht? Man sollte. Man sollte es aber auch nicht allzu ernst nehmen, und vor allem nicht Johnny Legend. Da bastelt ein Trash-Genie an seinem eigenen Kult, und der ist bekanntermaßen das wichtigste am Trash. Zu den Fakten: Geboren wurde Klein-Johnny 1948 (behauptet er jedenfalls), natürlich in Kalifornien, San Fernando, um genauer zu sein. Mit drei Jahren wollte er Comiczeichner werden, die einzige Laufbahn, die er schlußendlich dann doch nicht einschlug. Inzwischen ist er eine mittelgroße Größe in allem, was laut, dreckig und/oder gemein ist. Er spielt in Horrorfilmen, so zum Beispiel bei Roger Corman oder auch eine überaus beeindruckende Leiche in dem weltberühmten Klassiker „Die Braut des Re-Animators“. Hin und wieder schneidet er auch selbst ein Video aus vergessenen Schnipseln zusammen, die heißen dann „Sleazemania“ oder „Dopemania“. Ein wenig Geld verdient er auch noch als Manager von CatcherInnen, nicht unbedingt den Schlechtesten in diesem Gewerbe, aber immer mit solch hübschen Namen wie „Schlitzerschwester“ oder „Massenmutanten von Tschernobyl“. Es ist ein dreckiges Geschäft, es ist Trash. Und Musik macht der Herr eben auch noch. Und wir dürfen uns mit ihm zurückerinnern an die goldenen Zeiten jenes Gewerbes, das so lange anhielt, bis die Cramps sich anschickten, berühmt zu werden. Auch wenn der Trash, so wie wir ihn liebten, nur auf einem unglückseligen Mißverständnis beruhte: Keiner der Helden aus den Fünfzigern war wohl zufrieden mit der bescheidenen Aufnahmequalität mancher Single, und fast 30 Jahre später liebten alle plötzlich genau dieses Knistern und Rauschen, das Knacken der unzulänglichen Verstärker, das Brummen der Mikrophone. Nun ist Herr Legend fast ja ein Zeitzeuge von damals, also klingt sein Trash denn auch wesentlich weniger trashig als der der achtziger Jahre. Vor allem spielt er einen flott dahingroovenden Rockabilly, dessen Zuckfaktor auf der nach oben offenen Tollen-Skala Spitzenwerte erreicht. Und wenn der alte Mann mit dem viel zu langen Bart und der Südstaaten-Uniform Lust hat, dann spielt er eine Ballade, daß niemand bedauern muß, daß Roy Orbison die Grashalme von unten zählt.

Heute, 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108–114, Neukölln.

Ganz alter Singer/Songwriter- Trick ist es, besonders häßliche Texte mit soviel Wohlklang zuzuschütten, daß einem erst recht schlecht werden soll. Das funktioniert hin und wieder ganz gut, wenn man nicht gerade Bob Dylan oder Randy Newman heißt und nicht singen kann. Greg DiGesu aber kann singen, und das tut er dann auch, dazu dudelt normalerweise eine Band namens Fishermen's Stew, mit der er sich in New Jersey durchaus schon zur lokalen Berühmtheit gemacht hat, einen recht belanglosen Lagerfeuerklampf. Hierzulande werden wir aber das Vergnügen haben, DiGesu ganz allein mit seiner Gitarre und seinen Texten zu sehen. Die berichten von den bösewichtigen USA, wo der noch bösewichtigere Charles Manson lebte, und natürlich von der Liebe, so wie alle das tun. Aber Greg DiGesu kann halt singen. Sehr schön singen sogar.

Heute, 21 Uhr, Bierkeller Siegmundshof, am 28.7., 21 Uhr, Fritz Kneipe, Stahnsdorfer Straße, Babelsberg und am 29.7., 24 Uhr, Café Swing, Nollendorfplatz, Schöneberg.

Nun, hin und wieder lassen uns die Herren Musikanten ganz schön im Regen stehen. Von Double Torture weiß ich nur, daß sie wohl eine ganz neue Band sind, und vermute mal, daß sie aus Berlin stammen. Und ich weiß, wie sie sich anhören. Ist irgendwie Punkrock, mit irgendwie deutschen Texten und geht halt los. Fängt sich dann zum Refrain wieder, jedenfalls wenn der Trommler nicht vorher wegen Herzattacke vom Schemel kippt. Päuschen gibt es auch, Sängerspucken sowieso. Der Regen regnet weiter, auch wenn da plötzlich noch mehr Ecken auftauchen, vielleicht doch kein Punkrock? Problem löst sich mit der nächsten Geschwindigkeitsverschärfung. Ja doch, hübsch, wackelt zwar nicht in den Hüften, dafür aber um so mehr mit dem Kinn.

Am 23.7. um 22 Uhr im Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170.

Früher mal, so ändern sich die Zeiten, wären Green Hill als Elektro-Band durchgegangen. Heute behaupten sie selbst, daß sie Rock spielen, und irgendwie stimmt das ja auch. Zumindest finden sich recht deftig bratzende Gitarren, die mit dem melancholischen Gesang hübsch kontrastieren. Jedenfalls, wenn es langsamer zur Sache geht und so was aufkommt, was man gut und gerne Psychedelik nennen kann. Die Knie werden ein bißchen weich, die Oberkörper wippen sanft, und die Tüte qualmt vergessen langsam im Alleingang vor sich hin. Aber wenn der Sequenzer angeworfen wird und bollert, was das Zeug hält, geht die Romantik zwar flöten, aber auf jeder Techno-Party würden jetzt die gemeinen Pillen eingeschmissen. Hier können sich sechs junge Menschen aus Erfurt wohl nicht recht entscheiden.

Morgen, 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.

Gestählt durch jahrelanges Auf-der-Straße-spielen, ausgezeichnet als Greenwich Street Entertainer of the Year, können die Beetrocks alles, was gute Laune garantiert. Lateinamerikanische Rhythmen sind ebenso vorrätig in ihrem Gemischtwarenhandel wie Reggae, Country & Western oder versiert unterkühlter Cocktail- Jazz inklusive Amaretto-Werbung-Saxophon. Wer da nicht tanzt, hat nur dann eine Entschuldigung, wenn er keine Beine mehr hat. Und wann hat man schon mal an einem Abend All Jarreau, Jonathan Richman und eine Karikatur von Johnny Cash auf einer Bühne? Gefürchtet sind vor allem die Coverversionen der 1991 in Bristol gegründeten Combo. Und die machen vor nichts halt, was heilig ist. „Ghost Riders in the Sky“ wird dann so bedrohlich wie ein Pfefferminzbonbon ohne Zucker, und dazu werden fürs Live-Erlebnis die ganz bunten Cowboyhüte mit den extrabreiten Krempen ausgepackt. So wie auch alle anderen Songs mit entsprechender Bekleidung wohlfeil kommentiert werden. Das wird wohl besonders interessant, wenn „Big Bamboo“, das Solo von King Louie aus dem „Dschungelbuch“ von Walt Disney, zur Aufführung gelangt. Die ganze Band dann im Bambus- oder Bananenröckchen? Aber Stil ist wohl alles, woran man sich noch halten kann in diesen Zeiten.

Am 27.7., 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg. Thomas Winkler