Rinderwahnsinn à la carte Von Klaudia Brunst

Wenn alles gutgeht, fahren wir heute abend wirklich in Urlaub. Ob alles gutgeht, steht allerdings noch nicht wirklich fest.

Zu viele Dinge gilt es zu beachten, wenn man für eine so lange Zeit das traute Heim verläßt. Zum Beispiel die Essensfrage: „Kauft kein Rindfleisch von Franzosen“, referierte uns meine Schwiegermutter neulich am Telefon den ernst zu nehmenden Rat ihrer Regionalzeitung. In unseren westlichen Nachbarländern, so die Quelle meine Schwiegermutter, würden die EG-Normen mit derart mediterraner Großzügigkeit ausgelegt, daß man geradezu mit Rinderwahnsinn nach Hause kommen müsse! So was wollen wir – Mitbringsel hin oder her – natürlich keinesfalls.

Auch für den Hund drohe außerhalb der deutschen Grenzen von 1945 ärgste Gefahr, wußte unser schwuler Freund zwei Tage später zum Thema „Essen wie Gott in Frankreich“ beizusteuern. Er als Biologe wisse da bestens bescheid: „Nach der EG-Norm 128-5 muß Tiernahrung nicht sterilisiert werden“, erklärte er uns druckreif. Nur die Deutschen, die ja ein unumstößliches Faible für Reinheitsgebote hätten, kochten sogar umständlicherweise ab, was hinterher in eine Hundefutterdose kommt. Wir sollten also während der kommenden Wochen unbedingt ausschließlich deutsche Dosen-Erzeugnisse verfüttern. Anderenfalls würde der Hund mit einer Wahrscheinlichkeit von 67:1 an Katzenseuche, Schafsfieber oder Rinderwahnsinn (sic!) elend verenden müssen. Was wir natürlich auch nicht ernstlich wollen können.

Wie wir unser Problem lösen sollen, erklärten uns unsere weisen Ratgeber allerdings nicht. „Ihr müßt euren Speiseplan eben breiter variieren“, meinte meine Schwiegermutter lapidar, „abends ein leichtes Omelette [Salmonellen?] oder gelegentlich ein gegrilltes Kalbskotlett [Hormonskandal?]“. Schweinelendchen seien doch recht schmackhaft, und im übrigen habe sie persönlich ja derzeit eine unschlagbare Vorliebe für Pasta. „Oh Gott“, stöhnte meine Freundin in den Telefonhörer, „ich dachte, aus dem Alter, in dem wir uns allabendlich von Nudeln mit Tomatensoße ernährten, seien wir endlich raus!“

Fast hätten wir unser Grill- Equipment wieder ausgepackt. Aber während sich die Neuanschaffung des Zweiflammenherdes mit eingebautem Gasgrill für uns also als völlig unnütz erwiesen hatte, sollte nun der Hund sich während des Urlaubs auf „frisch zubereitete Nahrung“ freuen dürfen. „Frischfutter“, so unser lieber Freund, „sei nämlich nach EG- Norm 5-348 sehr wohl rückstandskontrolliert, und in einem mitgeführten Dampfdrucktopf selbst im Zelt zu jeder Zeit leicht zuzubereiten. „Das mache ich nicht mit!“ erklärte meine Freundin bestimmt. Der Hund habe zu essen, was auf den Tisch kommt. „Keine Extrawürste“, schnaubte sie, und setzte dann, von den vielen Gefahren inzwischen etwas verwirrt, noch nach: „Jedenfalls keine aus Rindfleisch.“ Letztlich muß ich zugeben, daß die Essensfrage knappe zehn Stunden vor unserer Abreise immer noch nicht geklärt ist. Den sicher lieb gemeinten Vorschlag meines Vaters, ein Mannschaftspaket „Bundeswehrnahrung“ im Kofferraum einzulagern, haben wir aus Gewissensgründen ablehnen müssen. Dann doch lieber dem Rinderwahn anheimfallen.