Verdammte Egos in Opferpose

■ Männerforscher Mike Donaldson über seine männerbewegten Geschlechtsgenossen und die akademische Raumaufteilung

taz: Wie wird man eigentlich Männerforscher?

Mike Donaldson: Wer sich mit Soziologie beschäftigt, wird über kurz oder lang mit der Nase auf die Geschlechterfrage gestoßen. Feministische Theorie gehört mittlerweile zum Kanon.

Das garantiert ja noch nicht, daß man die Sache der Frauen als die eigene entdeckt.

Die Feministinnen leisten da ziemlich gute Überzeugungsarbeit. Wer dann immer noch die Augen verschließt, muß schon reichlich ignorant sein.

Sie haben geschrieben, daß Unterdrücker weder sich selbst noch die Unterdrückten befreien können.

Natürlich nicht. Stellen Sie sich vor, jemand würde vorschlagen, die Kapitalisten sollen sich zur allgemeinen Befreiung einer Kontrolle durch die Arbeiter unterziehen. Da würden wir uns totlachen.

Wenn die Männerforscher nicht ausziehen, die Frauen zu befreien, was ist dann ihre Aufgabe?

Einen kritischen Blick auf die Männer und die Machtverhältnisse zu werfen. Außerdem kann ich versuchen, Kolleginnen und Studentinnen zu unterstützen. Als Mann habe ich oft bessere Kontakte und einen besseren Zugang zu den Ressourcen. Das kann ich nutzen.

Worin sehen Sie den höheren Nutzen der Männerbewegung?

Den seh' ich nicht. Dadurch, daß sich Privilegierte mit Privilegierten in Gruppen treffen, geben sie nichts von ihren Privilegien ab.

Sie versuchen, durch Selbsterfahrung bessere Menschen zu werden.

Diese Männergruppen sind vor allem damit beschäftigt, ihre verdammten Egos zu bändigen und emotionale Selbstverteidigung zu lernen. Kein Wunder, daß die „Opferkunde“ die neueste Nummer ist, die sie bringen. Unzufrieden mit den Privilegien, die sie genießen, tun sie jetzt so, als ob sie schlimmer dran wären als die, die sie nicht genießen.

Oder sie machen sich auf, ihre „wahre Männlichkeit“ – was immer das auch sein mag – zu entdecken.

Wenn Robert Bly mir in seinem Buch „Eisenhans“ erzählt, daß ein Drittel unserer Gedanken Kriegergedanken sind, möchte ich ihm eins aufs Maul hauen. Dieser Scheiß war in den USA 32 Wochen an der Spitze der Bestsellerliste. Wenn das nur ein Haufen weißer Mittelklassewichser wäre, die mit sich selbst im Busch spielen, könnten wir sie einfach spielen lassen. Das Problem ist, daß diese Typen die Männerbewegung sind.

Wer garantiert, daß sich die Männerforscher auf einer höheren Bewußtseinsstufe befinden?

Nicht zuletzt unsere feministischen Kolleginnen. Allerdings besteht die Gefahr, daß die Männerbewegung auch an der Uni an Einfluß gewinnt.

Was halten Sie von einer Vereinigung von Frauenforschung und Männerforschung zur Geschlechterforschung?

Das ist gefährlich. Die feministische Forschung ist in der akademischen Welt einer der wenigen Orte, wo die Frauen Raum erobert haben, wo sie sich gegenseitig fördern und unterstützen können. Wenn sie die Frauenforschung aufgeben, gefährden sie diesen Raum.

Sollte die Männerforschung komplementär zur Frauenforschung etabliert werden?

Warum? Männerforschung kann in allen Bereichen betrieben werden, und zwar von Männern und von Frauen. Da gilt das gleiche wie für die Männerbewegung: Wofür brauchen wir eigene Bereiche, eigene Gruppen? Wir haben doch ohnehin endlos viele Orte, an denen wir uns treffen können, und massenhaft Raum – auch an den Universitäten.

Interview: Sonja Schock

Mike Donaldson ist Dozent am soziologischen Institut der University of Wollongong/Australien