Sinnkrise zum Geburtstag

Vor 50 Jahren wurden IWF und Weltbank in Bretton Woods gegründet / Heute suchen die beiden Institutionen nach neuen Aufgaben  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) – Als sich im Jahr 1988 die Finanzminister und Notenbankchefs von damals 151 Ländern zur Jahrestagung von IWF und Weltbank versammelten, waren sie genau das, was ihre demonstrierenden Kritiker ihnen vorwarfen: Institutionen des Weltkapitals, das die Südhalbkugel im Würgegriff hielt. Sechs Jahre später, zu ihrem 50jährigen Bestehen, eignet sich das Jahr 1988 für beide Seiten zur nostalgischen Verklärung. Nie schien, angesichts der Schuldenberge der Dritten Welt, die Kritik am Kapitalismus der US-westeuropäischen Prägung berechtigter als zur Zeit der Berliner Versammlung. Die Regierungen der Industriestaaten wiederum hatten im Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank funktionstüchtige Instrumente, über die sich in den Entwicklungsländern mitregieren ließ.

Mit dem Fall der Berliner Mauer begann 1989 auch die Macht der Bretton-Woods-Organisationen zu bröckeln. Bis zum Frühjahr 1992 sahen sich IWF und Weltbank in der Rolle des väterlich-freundlichen Wegbereiters zur Marktwirtschaft für Osteuropa. Doch die Hilfs-Milliarden, von den mächtigen Industriestaaten immer wieder vollmundig versprochen, entpuppten sich als Luftnummern. Gerade die G-7-Regierungen aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada, die als Großaktionäre die Politik der Institutionen bestimmen, stilisierten ihre Konjunkturflaute zur tiefen Rezession. Folgerichtig hielten sie die Geldsäcke fest verschlossen.

Mit dem Schwinden der Milliarden schrumpfte östlich der Oder auch das Vertrauen in IWF und Weltbank. Gleichzeitig begann in mehreren asiatischen Ländern ein Wirtschaftsboom. Lateinamerika hatte sich endgültig von den USA deren Wirtschaftsweise aufzwingen lassen und beginnt heute, sich aus der Schuldenfalle zu befreien. Kredite, so die Erfahrung all dieser Regierungen, gibt's auch von privaten Banken. Das ist zwar etwas teurer, dafür bleibt man in der Politikgestaltung unabhängig.

Abgewimmelt wie lästige Vertreter

Inzwischen machen die Abgesandten der Weltbank, zum Beispiel in Tschechien, die unangenehme Erfahrung, daß sie mit ihren Kreditangeboten wie lästige Vertreter abgewimmelt werden. Nur in den ärmsten Staaten Afrikas, die abgekoppelt von der Weltwirtschaft immer tiefer in die Armut fallen, kann die Weltbank noch mitregieren – eine wenig prestigeträchtige Tätigkeit für ihr Personal, das sich selbst bislang als die Weltelite des Bankengewerbes sieht.

1944 war man in Washington bescheidener. Der IWF sollte eine stabile Weltwährungsordnung aufbauen helfen. Die Weltbank sollte ergänzend Projekte des Wiederaufbaus und der Entwicklung fördern. 1971 lösten die USA, ohne im IWF irgend jemanden zu fragen, den Dollar von der Deckung in Gold. 1973 gingen dann die übrigen großen Industriestaaten zu flexiblen Wechselkursen über. Die zweite Ölkrise tat ein übriges zur ersten tiefen Nachkriegsrezession, so daß das private Kapital in den Industriestaaten keine lukrative Anlagemöglichkeit fand, in die Entwicklungsländer strömte und dort den Grundstein für die Schuldenkrise der 80er Jahre legte.

Seit 1973 wurde auch von den Bretton-Woods-Organisationen geklotzt. Bis 1980 wurde das Darlehensvolumen der Weltbank an die Dritte Welt vervierfacht – und für die berüchtigten Staudammprojekte verpulvert.

Als die Zinsen fällig wurden, klappte der Boom auf Pump zusammen, die Schuldenkrise begann auch für das Finanzsystem der Industriestaaten bedrohliche Ausmaße anzunehmen. Aus dieser Zeit, dem Beginn der jetzt zu Ende gehenden dritten Ära, stammen die Bedingungen zur Strukturanpassung, die der IWF armen Mitgliedern vor der Vergabe von Stützungskrediten stellt.

Zum 50sten Geburtstag wird nicht gefeiert, sondern die von den Industrieländern dominierten Leitungsgremien des IWF diskutieren die Vorschläge der Bretton- Woods-Kommission unter dem früheren US-Notenbankchef Paul Volcker. Der IWF solle sich auf Währungspolitik beschränken und sich aus der Dritten Welt zurückziehen, heißt es darin. Das klingt bescheiden, ist es aber nicht. Denn die Kommission will die Währungen der Welt unter IWF-Kontrolle stellen. Orientiert an US-Dollar, D-Mark und Yen, soll der IWF die Wechselkurs-Bandbreiten für die übrigen Währungen festlegen. Offenbar sind die deregulierten Welt- Finanzmärkte mit der billionenschweren Devisenspekulation auch ihren Schöpfern nicht mehr ganz geheuer. Außerdem, so Volcker, solle im IWF nicht nur über Geld und Wirtschaft, sondern auch über Politik und Sicherheit geredet werden. Der IWF: künftig die Planbehörde für kapitalistische Weltwirtschaft?