Vorsichtiger Nadelstich gegen den Nazi-Terror in Bramfeld

■ Neonazis wegen Volksverhetzung auf der Anklagebank / Vorwurf: Terror gegen Runder-Tisch-Mitglieder

Vor kurzem hatten die Mitglieder des Runden Tisches in Bramfeld, der sich für die Flüchtlinge im Stadtviertel einsetzt, schwere Vorwürfe gegen den Staatsschutz erhoben, weil die Polizei gegen rechtsradikalen Terror nicht eingeschritten sei. „Die Polizei macht nichts“, so Stadtteil-Sozialdemokrat Jürgen Warncke empört. Ganz tatenlos scheint die Strafverfolgungsbehörde aber doch nicht zu sein: Drei Rechtsradikale müssen sich Mitte August wegen des Vorwurfs der „Volksverhetzung“ vor dem Amtsgericht Hamburg verantworten. Grund: Sie sollen am Neonazi-Terror gegen die Runder-Tisch-Aktivisten beteiligt gewesen sein und am 19. November 1993 vor dem Haus des Bramfelder Pastors Klaus Jähn das „Horst Wessel-Lied“ skandiert sowie Aufkleber der Nationalen Liste (NL) verklebt haben.

Gegen die drei Neonazis hatte das Amtsgericht zunächst Strafbefehl in Höhe von 2500 Mark erlassen. Da der Strafbefehl gegen Hartmut W. nicht zugestellt werden konnte – der nach Angaben von NL-Boß Christian Worch Mitglied in der Nationalen Liste ist – erließ das Amtsgericht Haftbefehl. Begründung: „Fluchtgefahr.“ Hintergrund: Hartmut W. war offiziell zwar bei seinen Eltern gemeldet, hatte aber längst ein eigenes Domizil bezogen, ohne sich bei den Behörden anzumelden. Zehn Tage verbrachte Hartmut W. in Untersuchungshaft, bis ihm Haftverschonung gewährt wurde.

Der Neonazi-Aufmarsch vor dem Haus von Pastor Jähn, bei dem die Polizei fünf Rechtsradikale festnehmen konnte, war kein isolierter Vorfall. So erhalten mehrere Mitglieder des Runden Tisches seit Monaten Drohanrufe. Am 14. Februar dieses Jahres tauchten abermals Skinheads vor dem Jähn-Haus auf und sangen: „Bruder Jacob schläfst Du noch. Hörst Du nicht die Glocken, Klaus Jähn ist tot.“ Das Lied war regelrecht einstudiert. Jähn: „Meine Tochter bekam es mit der Angst. Ich betrachte das als konkrete Bedrohung meiner Familie.“ Inzwischen kursierte in Bramfeld ein regelrechter Steckbrief von Jähn (taz berichtete).

Auch sein Prediger-Kollege Joachim Tröstler steht offenkundig auf der Liste. So klebten vor wenigen Wochen Unbekannte an den Schaukasten der Simeongemeinde NL-Aufkleber. Als der Geistliche Strafantrag wegen Sachbeschädigung und Verunglimpfung stellen wollte, bekam er von Beamten des Reviers Ellernreihe die Antwort, daß sie keinen Anlaß sähen, die Anzeige aufzunehmen – schließlich ließen sich die Aufkleber mit ein bißchen Mühe rückstandslos entfernen. Tröstler empört: „Offenbar ist es ungestraft möglich, das Ansehen einer Kirchengemeinde durch Anbringen rechtsextremistischer Aufkleber zu verunglimpfen und Gebäudeteile nach Belieben zu bekleben.“

Nach Auffassung der Betroffenen vom Runden Tisch muß hinter den Drohungen und Attacken eine straff organisierte Gruppe mit internationalen Kontakten stecken. Als Tröstler 1993 im Auftrag der Kirche ein Projekt in Südafrika betreute, bekam seine Frau in Hamburg plötzlich einen Drohanruf. Wenn ihr Mann nicht sofort seine Aktivitäten am Kap einstelle, würde seiner Familie etwas passieren. Tröstler: „Die waren genauestens informiert, wo ich mich aufhielt und was ich dort machte.“

Obwohl sich Neonazi-Führer Christian Worch im Fall Jürgen Brammer (taz berichtete) vom individuellen Psychoterror distanzierte, deutet nach Auffassung des Staatsschutzes vieles darauf hin, daß die Urheber der koordinierten Droh- und Einschüchterungskampagne gegen den Runden Tisch und den Antifaschisten Jürgen Brammer in NL-Kreisen zu finden sind. Im Raum Farmsen, Berne, Volksdorf gebe es mittlerweile NL-Kader, die mit den Vorgaben aus der Lohbrügger NL-Zentrale um Christian Worch und Thomas Wulff überhaupt nicht einverstanden seien. Ein Staatsschützer zur taz: „In der NL ist man sich uneins – da herrscht bei weitem nicht die Einigkeit, wie sie nach außen vorgegeben wird.“ Peter Müller