Lüthje rechnet mit Hajen ab

■ Unipräsident: Hochschulpolitik des Senats ist gescheitert / Pflichtlehrangebot gefährdet / Numerus clausus wird verschärft Von Uli Exner

Das Zeugnis des Uni-Präsidenten für seinen Vorgesetzten fällt wenig schmeichelhaft aus: „Die Streichung von Professorenstellen führt zu einer sprunghaften Verschlechterung der Studien- und Lehrbedingungen; die Streichung von Nachwuchsstellen verhindert die unverzichtbare Verbesserung der Personalstruktur.“ Wenn der Senat diese Hochschul-Sparpolitik wie vorgesehen fortsetze, sei „die Universität nicht mehr in der Lage, das Pflichtlehrangebot für bereits aufgenommene Studierende zu gewährleisten und ihre gesetzliche Ausbildungsverpflichtung zu erfüllen“.

Reaktion eines frustrierten Jürgen Lüthje auf den gestern von Senator Leo Hajen (SPD) vorgelegten Haushaltsplan der Wissenschaftsbehörde für 1995. Deren Gesamtausgaben steigen zwar im kommenden Jahr um 7,7 Prozent auf 1,3 Milliarden Mark, die Uni aber muß allein im Personalhaushalt auf sieben Millionen Mark, das entspricht 60 Planstellen, verzichten. Gleichzeitig sollen im kommenden Jahr 438 Plätze für Studienanfänger gestrichen werden. Die Etats der anderen Hamburger Hochschulen – TU Harburg, Fachhochschule sowie Hochschulen für Wirtschaft und Politik, Musik, bildende Künste – kommen dagegen weitgehend ungeschoren davon.

„Ein Haushalt, der Akzente setzt“, findet Hajen und erklärt in seiner Pressekonferenz, warum die einseitige Spar-Belastung der Universität dieser nach seiner Ansicht letztlich zugute kommt: „Durch die bewußte Entscheidung Hamburgs, die in den letzten Jahrzehnten überproportional gewachsene Uni schrittweise zu verkleinern, ermöglichen wir der Uni eine bessere Lehre und eine bessere Ausbildung.“ Ein Satz, der für Lüthje „ganz einfach falsch ist“. Im Gegenteil: Da sich die Stellenstreichungen schon im nächsten Jahr, die Verringerung der Plätze für Studienanfänger aber frühestens in sechs Jahren konkret auswirkten, programmiere der Senat mit seinem Sparbeschluß bis zum Jahr 2000 schlechtere Lehre und schlechtere Ausbildung. Während derzeit ein Hochschullehrer durchschnittlich 50 Studierende zu betreuen hat, das haben Uni-Statistiker flugs ausgerechnet, werden es im Jahr 2000 rund 60 Studierende sein.

Besonders nervig für Lüthje, Uni-Mitarbeiter und Studenten: Noch im September 1992 hatten Senat und Bürgerschaft so ziemlich das Gegenteil jener Politik beschlossen, die heute umgesetzt wird. Im über Jahre erarbeiteten „Struktur- und Entwicklungskonzept“ (Steko) für die Hochschulen hatten Voscherau-Senat und SPD-Fraktion als Ziele ihrer Uni-Politik unter anderen benannt:

-Verbesserung der Ausstattung,

-der Personalstruktur

-der Studienbedingungen

-sowie den Erhalt der Ausbildungskapazitäten.

Makulatur. Wieviel Geld in die Erarbeitung des nun über den Haufen geworfenen Steko gesteckt worden ist, können weder Uni noch Wissenschaftsbehörde beziffern. Rechnet man die Arbeitszeiten der über Jahre mit der Steko befaßten Uni- und Behörden-Mitarbeiter, die verplemperte Zeit der Bürgerschaftsabgeordneten und Senatoren zusammen, dürfte ein hübsches Millionensümmchen zusammenkommen. Ganz zu schweigen von der Motivation, mit der sich die Beteiligten künftig auf ähnliche Arbeiten stürzen werden.

Eine Beschäftigung, die ohnehin nicht so erfreulich sein dürfte. Auch in den Jahren 1996 und 1997, das steht schon jetzt fest, wird die Universität den Löwenanteil der Sparmaßnahmen im Ressort Wissenschaft und Forschung tragen müssen. Rund 100 weitere Stellenstreichungen jährlich sind im Gespräch, die Folgen aus Sicht der Uni absehbar:

-Verzicht auf Wiederbesetzung jeglicher Lehrstühle,

-erheblicher wissenschaftlicher Substanzverlust für die Stadt Hamburg,

-Verschärfung des Numerus clausus und schlechtere Chancen für Studienbewerber aus Hamburg, in ihrer Heimatstadt einen Studienplatz zu erhalten.

Zumindest für letzteres Problem konnte Leo Hajen gestern einen Lösungsweg aufzeigen. Die Hochschulen in den neuen Bundesländern verfügten, so der Senator, schließlich über jede Menge freier Studienplätze. Übersetzt in 50er Jahre-Slang: Geht doch rüber.