Mit dem Hebekran ins Schwimmbecken

■ Die Weltstadt Berlin verfügt nur über ein einziges rollstuhlgerechtes Hotel / Diesen Komfort können sich aber nur jene Behinderten erlauben, die das Geld dafür haben

Das schönste Hotelzimmer und das mondänste Bad sind nichts wert, wenn man als Rollstuhlfahrer überall aneckt. Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften der Behinderten wurden die Quartiere deshalb den Bedürfnissen der Athleten angepaßt. Die Berliner City Apartments installierten in ihren Herbergen Rampen für die Rollstühle. Das Hotel Berlin brachte in den Bädern Halterungen zum Hochziehen an. „Das sind alles ambulante Hilfsgeräte, die später wieder abgebaut werden“, weiß der Empfangschef des Hotel Berlin, Oliver Heldt.

Die „Weltstadt“ Berlin hat zwar 420 Hotels mit jeweils mindestens acht Betten, aber es gibt nur ein einziges Haus, das zu jeder Tages- und Nachtzeit für eine Gruppe rollstuhlfahrender Gäste gerüstet ist: das Vier-Sterne-Hotel Mondial am Kurfürstendamm. Während andere namhafte Häuser ein paar behindertenfreundliche Alibizimmer vorweisen können, ist das Mondial vom Keller bis zum Dach auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern eingestellt. „Bei uns fühlen sich diese Menschen so frei wie in ihren eigenen vier Wänden“, preist Direktor Udo Hayer das Mondial in bester Werbemanier.

Als das Hotel 1982 erbaut wurde, hatte der Eigentümer, der „Reichsbund der Kriegs-, Wehrdienstopfer, Behinderten, Sozialrentner und Hinterbliebenen“, sich für ein behindertengerechtes Haus entschieden. Für eine Bausumme von 35 Millionen Mark entstanden 75 Zimmer, 22 davon sind rollstuhlgerecht. „Andere hätten damals für dieselbe Bausumme 200 Zimmer hingestellt, aber behindertengerecht ist das so teuer“, so Hayer.

Mit 45 bis 50 Quadratmetern sind die behindertengerechten Räume im Mondial fast doppelt so groß wie die normalen Zimmer auf den gleichen Etagen. Auch in den Bädern ist so viel Platz, daß ein Rollstuhl bequem darin wenden kann. An den Wänden neben Badewanne, Dusche und Toilette befinden sich Armaturen zum Hochziehen. Die Waschbecken und Spiegel sind in der Höhe automatisch verstellbar. Das Wasser sprudelt aus dem Hahn, wenn der Bewegungsmelder Zeichen gibt. Ein in der Toilette integriertes Bidet ersetzt auf Knopfdruck das Klopapier.

Auch der Rundgang durchs Haus zeigt: Alle Räume im Gaststättenbereich sind für Rollstühle zugänglich, die Türen sind breiter als normal und öffnen sich auf Tastendruck. Die Tische im Restaurant sind unterfahrbar, die Toiletten nicht nur in Männlein und Weiblein unterteilt, sondern auch in Behinderte und Nichtbehinderte. Das Schmückstück befindet sich im Keller: ein hauseigenes Schwimmbad, das mit Duschmöglichkeiten im Sitzen, einem Hebekran neben dem Becken und einer Wassertemperatur von 30 Grad auf die Bedürfnisse beinamputierter und gelähmter Menschen abgestellt ist. Wie alle anderen Einrichtungen ist auch das Schwimmbad für alle Hotelgäste da. Zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, beschreibt Direktor Hayer das Konzept des Hauses, „wird kein Unterschied gemacht“.

Mit 190 Mark pro Einzelzimmer und 240 Mark pro Doppelzimmer aufwärts hat das Mondial natürlich seinen Preis. „Die Behinderten“, begründet Direktor Hayer das teure Equipment, „lassen sich ungern helfen. Sie möchten am liebsten alles selbst machen.“ Einen solchen Komfort könnten sich nur betuchte Menschen leisten, die meist erst seit einem Unfall im Rollstuhl säßen. „Wer seit seiner Kindheit schwerbehindert ist, hat in der Regel kein Geld für große Reisen und Hotels.“

Ganz so selbstverständlich, wie der Direktor tut, geht das Hotel aber doch nicht mit dem Handicap von Teilen seiner Gästeschaft um. Statt offensiv mit der Spezialausstattung zu werben, taucht das Wort Behinderung in dem Hochglanzprospekt erst auf der allerletzten Seite auf. „Übrigens ...“, beginnt der Absatz fast verschämt. Von dem Hilfsequipment für Behinderte ist in dem Werbe-Prospekt auf den Abbildungen der Hotelzimmer nicht das geringste zu sehen. Und der für die Gehunfähigen am Schwimmbecken installierte Hebekran wird auf dem Foto – ganz zufällig – von einem lässig dastehenden Gast im weißen Bademantel verdeckt. Plutonia Plarre